Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Die Zukunft war früher auch besser.“ Der Satz stammt von Karl Valentin, dem unvergessenen Komiker aus München. Überhaupt war früher alles besser. Das denke ich - ehrlich gesagt - immer öfter. Wahrscheinlich ist das so, wenn man älter wird. Man vergleicht eben die Zustände früher mit den aktuellen. Und da geht einem heutzutage manches auf den Nerv. Da ist der Beruf. Die Aufgaben nehmen zu. Stress und Hektik auch. Statistiken belegen das. Immer mehr Berufstätige halten den Druck im Job nicht mehr aus. Sie fühlen sich ausgebrannt, werden krank.

Auffällig auch, wie unverbindlich vieles geworden ist. Auf was und auf wen kann ich mich noch verlassen? Alle reden von Kompetenzen, aber die Allgemeinbildung schwindet.

Kurz bevor ich dann das Lied vom „Untergang des Abendlandes“ anstimme, fällt mir ein anderer Satz ein. Er stammt nicht von Karl Valentin, sondern von meiner Oma, bei der ich aufgewachsen bin. Noch im hohen Alter sagte sie rückblickend gerne: „Früher war nicht alles besser, früher war vieles anders.“

Das holt mich wieder aus dem Jammertal heraus. Vieles ist heute nämlich eindeutig besser als früher! Viele Krankheiten kann die moderne Medizin wirksam bekämpfen. Der Straßenverkehr ist erheblich sicherer geworden. Unsere Flüsse sind keine stinkenden Kloaken mehr. Wer Informationen braucht, bekommt sie dank Internet in Sekundenschnelle. Und auch die Menschen sind nicht schlechter als früher. Viele kümmern sich liebevoll um ihre pflegebedürftigen Angehörigen. Millionen engagieren sich ehrenamtlich im Sport, in der Kultur oder im sozialen Bereich.

Wenn ich mir das alles überlege, dann wird mir klar: Früher war nicht alles besser. Der Satz ist einfach falsch.

Und wenn mich dann trotzdem die Nostalgie wieder einholt, denke ich noch mal an Karl Valentin. Der meinte schon vor achtzig Jahren: „Heute ist die gute alte Zeit von morgen.“

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