SWR2 Wort zum Tag

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Die-vom-Weg-Abgekommene, so lautet übersetzt der Titel der OperLa traviata. Wohl das bekannteste Musikdrama vonGiuseppe Verdi. Heute, vor 165 Jahren, wurde sie uraufgeführt. Und fiel gnadenlos durch. Das Publikum war entsetzt und empört. So was wollte man 1853 nicht sehen. Denn Die-vom-Weg-Abgekommene, das ist Violetta Valéry, eine Edelprostituierte. Im 19. Jahrhundert heißt das: Kurtisane. Damals eine geächtete Person. Jemand, der zwar da ist, und von Männern offenkundig gebraucht wird, aber sonst keine gesellschaftliche Rolle spielen darf. Verdi kümmert das nicht. Ganz im Gegenteil: La traviata kreist um Violetta, erzählt von ihrem Leben, ihrer Liebe zu Alfredo, ihrer Tuberkuloseerkrankung und ihrem Tod.

Was die Premierenbesucher vielleicht auch empört hat: Dass Verdi sie in seiner Oper ganz offen kritisiert. Denn hier sind nicht die Adeligen und Reichen die Helden, sondern die geächtete Kurtisane. Während der Adel feiert, auf die Ehre der Familie bedacht ist oder sich sinnlos duelliert, zeigt Violetta, was im Leben wirklich zählt. Sie verkauft heimlich ihren Besitz, um das Leben mit ihrer großen Liebe, Alfredo, abzusichern. Und als Alfredos Vater sie auffordert, die Beziehung zu seinem Sohn zu beenden, weil das dem Ansehen der Familie schadet, da geht sie darauf ein. Sie verzichtet um Alfredo willen auf ein Leben mit ihm. Die todkranke Violetta ist ehrenhafter als die ganze ach so ehrenhafte Gesellschaft.

Menschen am Rande, die spielen auch in der christlichen Tradition eine zentrale Rolle. Die Bibel ist voll von solchen Randgestalten. Es sind nicht die strahlenden Helden, die ich hier finde, sondern gebrochene und gezeichnete Menschen. Mose etwa ist ein Mörder, bevor er die Israeliten aus Ägypten herausführt. Paulus verfolgt Christen, bevor er sich bekehrt. Jesus sucht bevorzugt Menschen am Rand der Gesellschaft auf: Kranke, Besessene, verachtete Zöllner und Prostituierte.

Verdis Oper und die biblischen Texte machen sich unisono für Menschen am Rand stark. Machen deutlich, dass es nicht auf Status, Einkommen oder Macht ankommt. Sondern dass jeder Mensch wertvoll und unersetzlich ist. Ganz egal, von welchem Weg er scheinbar abgekommen ist.

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