SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Lob des Lernens – so heißt mein Lieblingsgedicht von Bertolt Brecht.

Da schreibt er:

Lerne das Einfachste! Für die

Deren Zeit gekommen ist

Ist es nie zu spät!

Lerne das Abc, es genügt nicht, aber

Lerne es! Lass es dich nicht verdrießen!

Fang an! Du musst alles wissen!

Du musst die Führung übernehmen.

Wenn es ums Lernen geht, denke ich gleich an meine Schulzeit. Stundenplan, Mathebücher, Zeugnisse. Die Lehrer sagten Hausaufgaben, ich träumte vom Fussballplatz. Wenn ich lernen muss, was andere wollen, kann es ätzend sein. Bertolt Brecht aber meint: Lerne nicht, weil andere es wollen. Nimm es selbst in die Hand. Lass dich nicht entmutigen! Fang an!

Mit anderen Worten: „Du musst die Führung übernehmen.“ Finde ich super. Für mich ist das der springende Punkt im ganzen Gedicht: Wer nichts weiß, den kann ich herum schubsen. Den kann ich für dumm verkaufen. Darum rät Brecht: Warte nicht darauf, dass Dir irgendwer hilft. Lass dir nichts einreden, sieh selber nach! Übernimm die Führung für dein Leben.

Da bewundere ich meinen alten Kollegen Heinrich. Seit ein paar Jahren ist er im Ruhestand. Erst war das Internet für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Doch er wollte nicht immer um Hilfe rufen, wenn er nicht weiter wusste. Jetzt macht ihm am Computer keiner was vor. Auch sonst probiert er ständig etwas Neues aus und reist durchs ganze Land. Stundenlang könnte ich mit ihm über die Zukunft der Gesellschaft diskutieren.

Es gibt so tolle Möglichkeiten, mehr zu lernen: Da ist die Volkshochschule, die Bücherei oder der Vortrag in der Kirchengemeinde. Und im Internet kann ich mir Videos von den klügsten Köpfen der Welt ansehen. Bildung muss nicht teuer sein. Mir gibt es ein gutes Gefühl, wenn ich mich informiert habe und dann weiß, worauf ich mich einlasse. Ich will weder meinem Bankberater noch den Politikern blind vertrauen. Lieber  mache ich mich selber schlau, vergleiche und entscheide dann.

Brechts Gedicht hat für mich große Kraft. Er spricht mir zu, dass ich selbst verantwortlich bin. Kurz gefasst: Lass dir nichts einreden, sieh selber nach!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26038
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