SWR3 Gedanken

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In Hamburg hat ein Kiosk eröffnet. Das an sich wäre natürlich noch keine Nachricht, aber es handelt sich um ein ganz besonderes Kiosk. Dort gibt es keine süße Tüte für einen Euro, keine Mopo und kein Abendblatt, keine Zigaretten und auch keine Cola in Dosen. An diesem Kiosk kann man gar nichts kaufen. Allerdings bekommt man dort etwas, das meiner Meinung nach mit Geld nicht zu bezahlen ist: Ungeteilte Aufmerksamkeit. Und man trifft auf jemanden, der zuhört. So richtig. Ganz egal, was man zu erzählen hat. Zuhör-Kiosk nennt sich das. Eröffnet hat es ein 71 jähriger Rentner – „um sich Geschichten erzählen zu lassen“, wie er selbst sagt. Anfangs hatte er Angst, dass niemand kommt. Von dem Ansturm, der jetzt herrscht, ist er selbst ganz überrascht. Frauen und Männer, Junge und Alte, alle kommen sie zum Zuhör-Kiosk. Die meisten mit eher traurigen Geschichten. Aber egal, was sie zu erzählen haben – sie alle wünschen sich, dass Ihnen jemand zuhört. Und das scheint selten geworden zu sein.  Geredet wird viel. Aber wer hört mir eigentlich richtig zu? Und dann kommt es ja auch immer darauf an, wie man zuhört. Das weiß schon die Bibel: „Gebt nun Acht, wie ihr hört“, heißt es da. Zum Beispiel für alles offen, und mit ehrlichem Interesse. Und mit echter Geduld. Ohne die eigene Antwort schon im Kopf zu formulieren, bevor der andere überhaupt fertig ist, und dabei die wesentliche Frage zu verpassen. Mit einem liebevollen Ohr auch für die weniger Redegewandten. Denn darauf kommt es ja nicht an. Schließlich hat einfach jeder Mensch eine Geschichte zu erzählen. Eine spannende, traurige, lustige, langweilige, aufregende, ernste Geschichte. Die Geschichte seines Lebens. Und wer sich dafür Zeit nimmt, der bekommt auch mehr, als man mit Geld je bezahlen könnte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=26002
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