SWR2 Wort zum Tag

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In unserer Gesellschaft ist eine ängstliche Stimmung weitverbreitet, die kaum zu fassen ist. Soziologen und Meinungsforscher beschreiben das immer wieder. Die einen sorgen sich, dass sich die Gesellschaft sozial immer weiter spalten wird. Andere befürchten, dass zu viel Fremdes, zu viel Fremde zu uns kommen. Und am Ende wissen wir gar nicht mehr, wer wir sind!

Viele treibt die tägliche Angst, den hohen und immer höheren Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Zu viel, was andere von mir erwarten, erst recht zu viel, was ich selbst von mir erwarte. Der renommierte Soziologe Heinz Bude spricht von einer „Gesellschaft der Angst“: Ängstlich zu sein, scheint zu einer modernen Gesellschaft wie der unsrigen einfach dazuzugehören.

In diesem Jahr erinnert ein Kreis von Anhängern, Schülerinnen und Schülern an den katholischen Theologen und Grenzgänger Eugen Biser. Im Januar wäre er 100 Jahre alt geworden. In ganz besonderer Weise hat Eugen Biser die Angst, die Lebensängste des modernen Menschen ins Zentrum seiner Theologie gestellt. Die allgegenwärtige und zunehmende Angst hielt er für das Hauptproblem der Gegenwart.

Für Eugen Biser ist das Christentum die „Religion gegen die Angst“, für ihn ist der christliche Glaube die alles entscheidende Heilkraft, für alle die ängstlich sind! Entschieden kritisierte er so jede kirchliche Verkündigung, die selbst Ängste weckt. Und umkehrt war Eugen Biser überzeugt: Der christliche Glaube und das Christentum werden in unserer Gesellschaft nur dann eine Zukunft haben, wenn wir uns auf unseren Ursprung zurückbesinnen:

Für Eugen Biser ist Jesus der „Angst-Therapeut“ schlechthin. Durch seinen menschgewordenen Sohn sucht Gott den Menschen zu heilen - von seinen alltäglichen Ängsten und der Angst, keinen Sinn im Leben zu finden, der Angst sterben zu müssen.

In dem, was Jesus verkündet hat, in dem was er gelebt und gelehrt hat und nicht zuletzt in seinem Sterben am Kreuz und in seiner Auferstehung steckt eine dreifache Botschaft gegen die Angst:

Der Gott, den Jesus – für seine Zeit unvorstellbar revolutionär - zärtlich mit Abba, also Papa, angesprochen hat, ist kein ehr- und kein rachsüchtiger Gott, vor dem wir uns ängstigen müssen.

Unsere Mitmenschen, die wir mit Jesus als „unsere Nächsten“ erkennen dürfen und die wir „als unsere Nächsten“ lieben dürfen wie uns selbst, ängstigen uns nicht mehr als Fremde und Feinde.

Und ebenso revolutionär war und ist die Botschaft Jesu an jeden Einzelnen: Eugen Biser spricht von der „einzigartigen Ermutigung des Menschen zu sich selbst“ – unmissverständlich beschrieben in den wundervollen Worten, dass wir Menschen Gottes „Freunde“ sind, dass wir Gottes „Kinder“ sind.

Wenn ein liebender und barmherziger Gott so groß von uns Menschen denkt, bräuchten wir eigentlich vor nichts und niemandem Angst haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25983
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