SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

„Aschenbecher und gekühlte Cola, die durften nie fehlen“, lacht die blonde Dame neben mir im ICE. Sie spricht über Helmut Schmidt. Für den hat sie mal gearbeitet. Und dann zeigt sie mir auf ihrem Handy Fotos von dem Tag, als Helmut Schmidt beerdigt wurde. „Ich stand Spalier, wie sich das gehört für ein Hamburger Mädchen“. In Köln ist die Frau eingestiegen, zusammen mit drei jüngeren Kollegen, mit denen sie nun mit bei einem Personaldienstleister arbeitet. Die Frohnaturen erobern mein Abteil. Dem Temperament nach hätten auch alle aus dem Rheinland kommen können. Sie bringen mich mit ihrem Humor alle paar Sekunden zum Lachen. Eigentlich wollte ich noch was lesen - für die Arbeit. Aber irgendwie kommen wir ins Gespräch. Zuerst über die durchzechte Nacht in Köln. Über den fast überhörten Wecker. Das Glas Kölsch zu viel. Dann über berufliche Stationen, landen bei interessanten Anekdoten von Altkanzler Schmidt. Je tiefer wir ins Münsterland fahren, desto tiefsinniger werden auch die Gesprächsthemen. Und als ich meinen Beruf verrate, geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Gott und die Welt.

Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht -  mich mit den Leuten im Abteil so richtig unterhalten. Dabei liebe ich es, wenn sich zu den wechselnden Landschaften draußen auch im Gespräch mit den Sitznachbarn neue Horizonte eröffnen. Noch vor 10 Jahren, im Studium, hab ich das fast jede Woche gemacht. In den letzten Jahren wurde es immer seltener: Ich und auch die anderen Leute im Zug sind fast immer mit Stöpsel in den Ohren und Smartphone, Tablet oder Laptop vor den Augen unterwegs. Was um uns herum passiert? Ehrlich gesagt: Keine Ahnung.

Aber diese Bahnfahrt war wieder anders – während die lustigen Kollegen noch mit ihrem Kater kämpften, bekam ich einen Muskelkater im Zwerchfell. Ich bin schon auf die nächste Fahrt gespannt. Meine Stöpsel werde ich erst mal nicht in die Ohren stecken. Mal schauen, was passiert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25970
weiterlesen...