SWR2 Wort zum Tag

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Herzlichen Glückwunsch nach Baden! Heute feiert die Badische Revolution 170. Geburtstag. Am 27. Februar 1848 beschließt eine Bürgerversammlung in Mannheim eine Resolution, die Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft ohne Unterschied der Geburt und des Standes fordert. Die badische Erhebung betraf alle Schichten der Bevölkerung, war Vorreiterin der Bewegung in den deutschen Landen und verdient daher tatsächlich den Titel Volksaufstand.

Auch Theologie und Kirche waren in die Geschehnisse involviert. Pietistisch Konservative und theologisch Liberale prallten aufeinander. Am Ende, als der Aufstand gescheitert war, wurden viele Aufständische hingerichtet und auch die an der Revolution beteiligten Geistlichen hart bestraft, obwohl ihre Gemeinden inständige Bittgesuche an die Regierung gerichtet hatten. Viele Badener flohen aus Baden in die Schweiz oder die USA, ein Exodus, der die Gesellschaft entscheidend geschwächt hat. Prominentester Flüchtling war Friedrich Hecker, der dann erfolgreich Farmer und Winzer in den USA wurde. Das Heckerlied erinnert bis heute an ihn: „Er hängt an keinem Baume, er hängt an keinem Strick, sondern an dem Glauben der freien Republik.“ Das ist eine Art Geburtstagsständchen für die Badische Revolution.

Neulich habe ich mich mit einer aus Norddeutschland nach Baden eingewanderten Protestantin unterhalten. Sie empfindet die Badener als freundliche Menschen, die jedoch nicht gerne offen nein sagen, ihren Widerstand äußern sie eher verdeckt, meint die Zugereiste. Sie schätzt die Harmonie in Baden, aber auch, dass die Badener, so ihre Ansicht, sich ungern dominieren lassen. Sie lassen sich bei aller Friedfertigkeit ihre Freiheit nicht nehmen und den Schneid nicht abkaufen. Vielleicht, so überlege ich, haben ja die Badener aus ihrer Geschichte gelernt. Es war vor 170 Jahren ganz schön riskant, offen seinen Widerstand zu äußern. Bei aller Harmoniefreude gilt es, mit Zähnen und Klauen das zu verteidigen, was die Vorfahren mit Blut und Schweiß erkämpft haben: Die bürgerlichen Freiheiten, auch in der Kirche.

Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft ohne Unterschied der Geburt und des Standes – auch heute im 21. Jahrhundert, 170 Jahre später, sind diese Forderungen bedauerlicherweise noch längst nicht selbstverständlich. In unserem demokratischen Staat sind wir leider noch immer nicht bei einer Chancengleichheit für alle angelangt. Deshalb muss es, so meine ich, in guter Fortsetzung dessen, was auch Kirchenleute vor 170 Jahren gefordert haben, ein Anliegen der Kirchen sein, für Bildungs- und Chancengerechtigkeit einzutreten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25959
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