Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ich warte nicht gerne. Ich erlebe Warten als verlorene Lebenszeit. Und wenn es dann im Winter auch noch kalt ist und die Bahn einfach nicht kommt – dann ärgere ich mich. Und genauso ist es auch beim Flugzeug, dem Bus und erst Recht mit dem Auto im Stadtverkehr oder im Stau. Man könnte sagen, es ist halt so.

Aber trotzdem: jedes Mal, wenn es mich dann wieder trifft, rege ich mich auf. Warten ist einfach lästig. Und wenn ich mich so umhöre, bin ich nicht allein damit. Auch andere Menschen warten nicht gerne. Und deshalb muss alles schnell gehen. Der Online-Handel bieten die 24 h Stunden Lieferung an. Demnächst wohl auch mit Drohnen und Luftschiffen. ICE-Strecken werden ausgebaut, um noch mehr Zeit zu sparen. Vieles wird schneller und kurzatmiger. Aber: auch das finde ich nicht gut.

Der Umgang mit der Zeit ist nicht einfach. Geht es zu langsam kann man es nicht aushalten. Geht es zu schnell kommt man nicht mehr hinterher.
In der Bibel lese ich einen Text über die Zeit „Alles hat seine Zeit“, so beginnen die Verse. Und dann zählt der Prediger Salomo auf was alles seine Zeit hat: Leben, Schweigen, lieben und bauen, bis hin zu Steine Sammeln: Das alles und noch viel mehr hat „seine Zeit“.

Jedes Mal wenn ich die Worte lese, fühle ich mich ertappt. Alles hat seine Zeit. Das heißt doch: Alles braucht solange wie es eben braucht. Das Gras wächst auch nicht schneller wenn ich daran ziehe. Und die Bahn kommt wann sie kommt: Egal ob ich auf dem Bahnsteig stehe und mich ärgere oder gemütlich einen Kaffee trinke in der Zeit.

Wenn es mir gelingt das Warten, als Zeit anzunehmen die nun gerade angesagt ist, kann das zu ganz neuen Pausen-Erlebnissen führen. Und dann kann aus lästigem Warten schon mal eine angenehme Unterbrechung der Hektik werden. Und dafür nehme ich mir gerne Zeit.

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