Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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An Jürgen ist es mir das erste Mal aufgefallen. Seine Sprache hat sich verändert. Als wir mal wieder diskutieren schimpft er hemmungslos:  Auf die Politiker, auf die Reichen, auf die Wirtschaftsbosse. „Die belügen uns alle! Und wir sind die Dummen!“ Als ich irgendwann mal zu Wort komme, versuch ich ihn ein wenig zu beruhigen. Aber da  explodiert er fast. „Ach, Du bist immer so, so zögerlich, so verständnisvoll! Aber das hilft nichts! Einer muss doch mal Tacheles reden und sagen wie es ist! Sagen wie es ist!

Klartext reden – schon.  Jesus selbst fordert dazu auf. „Eure Rede sei: ja, ja; Nein, Nein!“ Jesus wollte den Menschen auf Augenhöhe begegnen. Freundlich, klar und offen. Er wollte dass wir wahrhaftig miteinander  sprechen. Nicht um den heißen Brei reden. Aber freundlich und mitfühlend. Wie wir miteinander sprechen zeigt, was wir voneinander halten. Für Jesus stand fest: Klartext reden geht auch liebevoll.

Und das vermisse ich. Nicht nur bei Jürgen. Jürgen ist ein emotionaler Mensch. Aber was er da vom Stapel lässt ist so platt und verkürzt. Da höre ich wenig von Freundlichkeit und Klarheit. Wenn einer reißerisch und pauschal alles verurteilt, dann spricht daraus vor allem eines: Hass. Und der hilft niemandem. Ganz im Gegenteil. Der verstellt einem eher den Blick. Und macht am Ende alles noch viel schlimmer. Als Jürgen mich zu Wort kommen lässt sage ich ihm das auch.

„Ich finde es schlimm, wie du über Menschen sprichst. Abwertend und verurteilend. Deine Haltung ist nicht menschenfreundlich. Das macht mich ratlos und auch traurig. So möchte ich nicht mehr mit dir diskutieren“ Meine deutlichen Worte, sie sind mir nicht leicht gefallen. „Dein Ja sei Ja und dein Nein sei Nein.“

Es tat mir weh - und ich glaube ihm auch. Aber wenn ich meine Haltung aufgebe, dann hat seine Sprache gewonnen. Und das will ich nicht. Denn ich glaube: Klartext geht auch liebevoll.

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