SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Jesus sagt: „Seid vollkommen wie Euer himmlischer Vater vollkommen ist: Er lässt die Sonne aufgehen über gute und böse und er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte.“ Ich finde das stark. Vollkommen sein bedeutet dann nämlich, dass Gott allen die gleichen Zuwendungen gibt. Und für mich heißt das, dass ich mich nicht selbst unter den Druck setze, dass ich diese Zuwendungen nur durch Glück und Freude erleben muss. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich unzufrieden bin, wenn nicht alles so gelaufen ist, wie ich es mir vorstelle. Ich bin bei der Arbeit nicht im Zeitplan und im Sport war ich vielleicht in schlechter Kondition. Wenn ich so abends über den Tag nachdenke, wird mir oft bewusst, dass ich vermutlich so etwas erwarte wie ein Leben voller Sonnentage.

Sonnen- und Regentage sind Bilder aus der Natur, dass es eben glückliche Zeiten gibt und traurige ... und den grauen Alltag. Eine Serie von Sonnentagen führt unter Umständen zu einer Dürre. Die Regentage sind es doch, die der Natur die Kraft geben, dass sie sich entfalten kann, wenn die Sonne wieder scheint.

Ich glaube, Jesus meint damit also, dass ich das Leben so nehme wie es kommt ohne es abzuwerten. Und ohne meine Wertung sind eben die Tage, die traurig und schwer sind, nicht das Ende einer Glücksträhne. Sie können nämlich sogar eine Zeit sein, in der ich mich sammle, und mit dem auseinandersetze, was mich unzufrieden macht. Denn darin liegt doch die Kraft, dass ich das Glück ausschöpfen kann, wenn es wieder rund läuft.

Wenn ich meine Tage wertfrei betrachte, werde ich damit unabhängig von meinen Stimmungen und Bewertungen. Keiner sagt doch, dass ich meine Lebenszeit überhaupt bewerten muss. Und trotzdem ertappe ich mich immer wieder dabei und es macht mich selten zufriedener. Dabei ist es doch normal, dass es auch Tage gibt, an denen eben nichts Besonderes passiert. Tage, an denen ich nur meine Arbeit erledige, normal ohne spektakuläre Erfolge. Mein Leben wird also nicht vollkommen, wenn ich Erfolg an Erfolg reihe oder Highlight an Highlight, sondern wenn ich lerne, alles so zu nehmen wie es kommt.

Mir hilft dazu ein Abendgebet, dass ich manchmal bete. Da heißt es: Gott, „ich gebe dir diesen Tag zurück und alles, was ich gearbeitet habe, auch das, was nicht fertig wurde; - sei es, weil es ein schöner Tag war oder auch nur, daß ich diesen Tag so, wie er war, in deine Hände lege, und mir zugestehe, daß nicht alle Tage im Leben „Sonnentage“ sein müssen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25933
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