SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Für viele ist die Bibel purer Ernst. Aber im Alten Testament gibt es eine Erzählung voller Humor: Das Buch Jona. Auf den ersten Blick merkt man es vielleicht gar nicht, aber die Geschichte ist die reinste Karikatur: Normalerweise ruft ein Prophet „Hier bin ich!“, wenn er von Gott berufen wird. Jona dagegen rennt erst mal davon. Bei seiner Flucht landet er über Umwege sogar im Bauch eines Walfischs. Aber nicht mal das verschont ihn davor, seinen Auftrag erfüllen zu müssen. Nach drei Tagen spuckt ihn der Walfisch an Land und Jona muss ran. Wovor er zurückschreckt? Er soll den Bürgern der Stadt Ninive den Untergang verkünden. Bringt eh nix, denkt er. Und weil er die Bibel kennt, weiß er ja: Die Leute hören nicht auf Propheten, sie bringen sie eher um. Als es gar nicht mehr anders geht, packt Jona es eben an. Er richtet den Bürgern von Ninive aus, dass Gott sie strafen wird, wenn sie nicht umkehren. Was Jona nicht gedacht hätte: die Leute hören ihm zu und ändern ihr Leben. Gott bestraft die Stadt nicht. Alles wird gut.

Mir kommt es so vor, als ob ich auch in einer Zeit lebe, in der viele ein Unheil kommen sehen, es sagen, aber keiner hört richtig zu. Regelmäßig melden sich Klimaforscher und sagen, wie es um unsere Erde steht. Wir sind betroffen und machen am nächsten Tag weiter wie bisher. Ähnlich ist es, wenn es um die gerechte Verteilung der Güter in der Welt geht, oder um Kinderarmut oder Bildung. Wir hören das und machen trotzdem weiter wie immer.

Vielleicht bräuchte es mal wieder so einen Bericht wie den von Jona. Gerade weil er eine Karikatur ist, motiviert er, etwas zu verändern. Ich stelle mir das so vor: Gott beruft einen Klimaforscher, die Menschen zur Umkehr zu bringen. Der Forscher glaubt aber nicht daran, dass die Leute auf ihn hören und zieht sich ganz in die Forschung zurück. Er widmet sich den Kleinstlebewesen im Meer statt wie bisher auf die Gefahren des Klimawandels hinzuweisen. Aber bei seiner Forschung stößt er auf die Berge von Plastikmüll, die sich in den Ozeanen sammeln. So wird er vom Labor wieder auf die politische Bühne gespuckt. Er muss etwas sagen. Als er den Leuten die Bilder zeigt, sind sie bestürzt: riesige Inseln aus Plastikmüll im Meer, offene Fischmägen, die Plastikreste enthalten. Sie ändern sofort ihr Leben: Statt Plastiktüten verwenden sie Stofftaschen, ihren Coffee-to-go trinken sie aus Keramiktassen und so weiter. Weil alle mitmachen, hat es eine große Wirkung. Die Meere erholen sich. Alles wird gut.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25930
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