SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es ist schon länger her, dass jemand bei mir an der Tür geklingelt hat und über meinen Glauben sprechen wollte. Auch in der Fußgängerzone werde ich seltener darauf angesprochen. Da sind sie schon noch, die Vertreter von verschiedenen religiösen Gruppen, die missionieren wollen. Aber sie sprechen die Leute nicht mehr so offensiv an, sie stehen oft nur wortlos da mit ihrem Angebot.

Was mich dabei beschäftigt, ist die Frage, wie man zum Glauben kommt oder sogar, wie ich andere von meinem Glauben überzeugen kann. Und das geht eben nicht durch Überreden. Wenn ich jemanden überrede, zwänge ich ihm ja nur meine Meinung auf. Und das hält nicht lange. Mit Argumenten überzeugen geht da vielleicht eher.

Ich hatte mal einen Freund. Er war bekennender Atheist. Jedes Mal wenn er mich gesehen hat, wollte er mit mir über den Glauben diskutieren. Und wir haben das oft nächtelang gemacht. Wenn wir bei einem Fest zusammengetroffen sind, sind wir irgendwann mit einem Glas Wein in einer Sitzecke gelandet und haben diskutiert was das Zeug hält: Ob es Gott gibt, ob man ihn beweisen kann, warum es dann Leid gibt, wenn es ihn doch gibt. Ich hatte überzeugende Argumente auf viele seiner Fragen. Und trotzdem habe ich jedes Mal gemerkt, dass er mir zwar zustimmt, aber dass der letzte Sprung zum Glauben doch irgendwie fehlt. Der Kopf geht mit, aber das Herz nicht.

Letzten Endes geht es nicht darum, dass ich einmal etwas kapiere und dann plötzlich gläubig bin, sondern darum, dass ich Vertrauen entwickle. Ein Vertrauen, dass ich nicht zufällig lebe, sondern weil Gott mich will und dass ich ein Ziel habe und dass auch mit dem Tod nicht alles aus ist oder umsonst war. Weil Gott es gut mit mir meint. Wenn ich so vertraue und meine Erfahrungen damit sammle, dann erst kann das Verstehen in Glaubensdingen kommen.

Seit ich das weiß, hat sich etwas bei mir verändert. Wenn ich mit anderen Leuten über Religion diskutiere, habe ich gar nicht mehr den Anspruch, dass sie hinterher meiner Meinung sind. Es geht mir eher darum, wie jeder von uns das Leben versteht. Wenn ich dafür Worte finde, ist das eine Bereicherung für die anderen, aber auch für mich selbst. Ich verstehe besser, was ich glaube. Wenn ich überzeugend sein will, dann muss ich andere Menschen entsprechend behandeln: Mit Wohlwollen und Respekt – unabhängig davon, ob ich sie kenne oder nicht, ob ich sie mag oder nicht, ob wir noch eine Rechnung offen haben oder nicht. Einfach weil sie Menschen sind, die in meinen Augen von Gott geliebt sind. Mein Handeln ist es, das überzeugen oder abschrecken kann. Die Worte sind zweitrangig. So verstehe ich auch den Ausspruch des Heiligen Franziskus: „Verkündet das Evangelium und wenn es nötig sein sollte, auch mit Worten“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25929
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