SWR2 Wort zum Tag

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Wir sind die vierte Generation. Die vierte Generation in der Familie, die unseren wunderbaren Küchenschrank nutzt. Es sind Kratzer zu sehen und auch der ein oder andere Riss zieht sich durch das Holz.

Man sieht einfach, dass das Teil viele Jahre benutzt wurde.

Für den ein oder anderen vielleicht längst ein Fall für den Sperrmüll.

Und trotzdem finde ich diesen alten Schrank richtig schön. 

Klar, Schönheit liegt bekanntermaßen im Auge des Betrachters. 

Ein interessantes gesellschaftliches Schönheitsideal habe ich in der japanischen Kultur entdeckt. Es heißt „Wabi-Sabi“. Hier wird Welt ganz anders angeschaut und wahrgenommen, als wir es gewohnt sind. 

Zum Beispiel werden Gegenstände als schön empfunden, an denen man ganz offen sieht, dass sie nicht perfekt sind. Nicht das, was ganz neu ist und noch glänzt, ist das wirklich schöne. Sondern das, was eine eigene Geschichte aufweisen kann. Ein Riss im Holz oder eine Delle im Metall machen eine Sache einmalig und damit schön. Ein Möbelstück, dem ich ansehen kann, dass es lange und regelmäßig benutzt wurde, ist viel interessanter als anonyme Neuware.  

Ich finde das auch auf uns Menschen übertragen klasse. Diese japanische Sicht auf die Welt ermuntert mich, Fehler und Schwächen zu akzeptieren. Innerlich und äußerlich.

Zum Beispiel ist es offensichtlich, dass ich älter werde. Und das sieht man auch. Mir gefällt das nicht immer, und ich darf natürlich auf mein Äußeres achten. Aber ich brauche nicht krampfhaft zu versuchen jung auszusehen. Die Spuren am eigenen Körper kann ich annehmen.

Natürlich will ich mich nach wie vor weiterentwickeln, aber ich glaube, ich kann in einigen Punkten gelassener oder milder mit mir selbst sein.

So wird das Leben etwas leichter und diese „Wabi-Sabi-Sichtweise“ kann mir helfen, mich selbst mehr anzunehmen wie ich bin. 

Wabi Sabi - das Leben macht uns schön!

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25890
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