Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die Küche ist das Zentrum des Hauses. Das war früher so. Das ist heute nicht viel anders. Kommen Freunde ins Haus zum gemeinsamen Essen, stehen die meisten in der Küche. Das zieht sich durch den ganzen Abend. Und am Ende beim Aufräumen findet das Finale ebenfalls dort statt. Darum ist auch der Küchentisch so konkurrenzlos wertvoll.

In meinem Elternhaus hat sich alles am Küchentisch abgespielt. Da die Küche ohnehin der einzig geheizte Raum gewesen ist, haben wir uns dort am  liebsten aufgehalten. Die Küche war die Kommandozentrale und der Versammlungsort. Und der Tisch war die Mitte. Darauf wurden wir als kleine Kinder gewickelt und angezogen. Drum herum saßen wir mindestens dreimal am Tag zur gemeinsamen Mahlzeit. Jeder auf seinem Platz.

Vater am Kopfende, Mutter auf der Längsseite, Herd und Spüle im Rücken, neben ihr meine Schwester, Vater gegenüber mein großer Bruder und ich allein auf der Eckbank, Mutter gegenüber. Hier habe ich gemalt, mit kleinen Autos gespielt und die Hausaufgaben gemacht. Mutter hat darauf den Teig ausgerollt, unsere Wäsche gebügelt, die Weihnachtsplätzchen ausgestochen, die Bohnen geputzt. An ihm wurde das in Bar ausgezahlte Milchgeld nachgezählt und alles, wirklich alles wurde da aufgetischt:

Die Post, die Zeitung, die Bibel. Und als ich dachte, dieser Tisch hätte sozusagen längst alle denkbaren Funktionen erfüllt, zu denen so ein Tisch fähig ist, da haben wir uns als längst erwachsene Kinder in der elterlichen Küche zu einer Abendmahlsfeier getroffen, um uns auf den Abschied von unserem Vater vorzubereiten.

Und da habe ich aus unserem altgedienten Küchentisch erstmals einen Altar gemacht, mit Kerzen, Kreuz und Bibel- und mit  Brot und Wein. Wir saßen im großen Kreis alle um diesen Tisch, haben gesungen und gebetet und uns Brot und Wein gereicht. So wurde unser Küchentisch geadelt auf seine alten Tage und wir wurden noch einmal an ihm satt.

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