SWR4 Abendgedanken

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Der heutige Tag hat viele unterschiedliche Namen: Schwerdonnerstag, schmutziger Donnerstag, fetter Donnerstag. Hier bei uns im Rheinland  heißt er Weiberfastnacht.

 

Da sind die Möhnen los, sie sperren Straßen und nehmen Straßenzoll von jedem, der durchfahren will, besonders natürlich von den Männern. Den Männern droht eine zusätzliche Strafe: ihnen wird der Schlips abgeschnitten!

Da werden die Rathäuser gestürmt, die Sparkassen „geplündert“  und in großen Umzügen durch die Straßen gezogen.

Einen Tag lang wird die bestehende Ordnung insbesondere das Verhältnis von Männern und Frauen auf den  Kopf gestellt.

Das Schöne ist, dass  es an diesem Tag nicht sprachlich korrekt  um Frauenkarneval, sondern um Weiberfastnacht geht, und die Akteure sind nicht  Frauen, sondern Möhnen.

Möhnen und Weiber sind alte Ausdrücke und heutzutage weitgehendst ausgerottet.

Und doch haben diese alten Worte eine eigene Ausstrahlung.  Bei dem Wort „Weib“  entsteht ein anderes Bild im Kopf als bei dem Wort Frau und „Möhnen“ sind etwas anderes als alte Tanten.

„Weiber“: da klingt gerne Abwertendes und Negatives mit: Weibergeschichten; Weibergeschwätz, Weiberwirtschaft.

Aber beim Wort Weib klingt auch noch anderes mit: Lebensfreude und Selbstbewußtsein. Weiber lassen sich von den Männern nichts sagen.

Das alles wird an Weiberfastnacht zelebriert: Frauen übernehmen die Macht und stellen die klassische Ordnung von Mann und Frau auf den Kopf, sie sind selbstbewußt, stark und unabhängig. Sie genießen das Leben und sie wollen an diesem Tag den Männern  gar nicht gefallen.  Deshalb müssen sie auch nicht schön sein, sondern sie treten als Möhnen auf –  das sind ursprünglich alte Frauen, die eher übersehen wurden und etwas lästig in der Familie waren.

Weiberfastnacht – heute gehören der Straßenkarneval und die Sitzungssäle den Frauen.

Und wir Weiber genießen es, unter uns zu sein und so zu feiern, wie es uns gefällt.

Und manchmal  bleibt am nächsten Morgen nicht nur ein Kater übrig, sondern die schöne Erfahrung, lebensfroh und unabhängig als Frauen  miteinander unterwegs zu sein und  das Leben selbst in die Hand zu nehmen – eine gute Erfahrung, nicht nur an Karneval!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25838
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