SWR3 Gedanken

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Das Märchen vom Aschenputtel. Als Kind habe ich diese Geschichte geliebt. Das arme Ding: So gutherzig, so fleißig, so bescheiden. Und von seinen Mitmenschen so mies behandelt. Bis endlich ein Prinz Licht in dieses Schattendasein bringt und aller Welt zeigt, was dieses Mädchen wirklich wert ist.

In der Pubertät habe ich so ein Happy-End erträumt. Voller Pickel und voller Zuversicht habe ich darauf gewartet, dass ein Prinz vorbeikommt, der meine wahre Schönheit entdeckt. Ein strahlender Held, der innere Werte zu schätzen weiß und sich nicht vom Zickengetue der coolen Mädchen beeindrucken lässt. Der mir zeigt, dass ich wirklich etwas wert bin.

Beim Aufräumen ist mir kürzlich das alte Märchenbuch in die Hand gefallen. Da habe ich einmal wieder die Geschichte vom Aschenputtel gelesen. Und mit dem Kopf geschüttelt. Weil ich mich all die Jahre geirrt habe. Der Prinz erkennt ja gar nicht den Schatz unter der Asche. Erst ein Aschenputtel in Samt und Seide, in Glanz und Gloria erobert sein Herz. Und dann braucht es auch noch einen Schuh als Beweis, dass der Schatz ein Schatz ist. Eigentlich ziemlich armselig.

Da ist mir die Bibel doch deutlich näher als Grimms Märchen. „Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber der Herr sieht das Herz an,“ heißt es da. Gott braucht also weder Samt noch Seide, weder Glanz noch Gloria noch einen Schuh, um den Wert eines Menschen zu erkennen. Um meinen Wert zu erkennen.

Mag ich mich selbst hässlich und unansehnlich finden, mag ich für andere nichts Besonderes sein: Vor Gott ist jeder und jede von uns schön und wertvoll. Gott sieht tatsächlich unter die Asche und findet einen goldrichtigen Menschen. Weil ihm unser Herz wichtig ist. In diesem Sinne kann mir der Prinz aus dem Märchen gestohlen bleiben. Mitsamt seinem Gaul. Ich habe meinen Gott, der mich liebt, wie ich bin.

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