SWR2 Wort zum Tag

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„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“. Mit diesem Wort warnt der dänische Philosoph Søren Kierkegaard Glückliche. So ganz mag ich dem nicht zustimmen. Nicht gleich. Irgendetwas stimmt daran nicht. So allgemein gesagt: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit“. Es gibt doch Vergleiche, denke ich, die passen – die sind nötig und vernünftig.

Wenn Einkommen verglichen werden und festgestellt wird: Frauen bekommen in vielen Bereichen für die gleiche Arbeit noch immer weniger Lohn. Dann führt dieser Vergleich nicht zum Ende des Glücks – sondern kann der Anfang sein, eine Gerechtigkeitslücke zu schließen – dringend.
Ich kenne aber genügend Situationen, wo Vergleiche Konkurrenz und Neid nach sich ziehen und so oft Glück vertreiben. Ich vermute, Kierkegaard, der sich intensiv von biblischen Szenen hat inspirieren lassen, hatte ein Gleichnis Jesu im Kopf, wo es auch um Lohn und Geld geht – das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.

Da arbeiten viele in einem Weinberg – unterschiedlich lange. Die einen den ganzen Tag. Die anderen nur eine Stunde. Ausgezahlt bekommen alle den gleichen Lohn.
Die den ganzen Tag gearbeitet haben – den vereinbarten üppigen Lohn. Die nur am Ende des Tages zugepackt haben – genau so viel. Eigentlich hätten alle glücklich und zufrieden nach Hause gehen können.

Wäre es nicht zum Vergleich gekommen. Hätten nicht die Langzeitarbeiter mitbekommen, dass die Kurzzeitarbeiter genau so viel bekommen. Dieser Vergleich – heißt es – hat sie „scheel“ schauen lassen. Was so viel bedeutet wie: Missmutig, missgünstig. Ich kann mir diese Gesichter vorstellen. Und kenne meines.

Wenn ich manchmal denke, ich bin ungerecht behandelt worden. Andere haben es besser erwischt. Dann macht mich das bitter. Ja, „das Vergleichen kann das Ende des Glücks und der Anfang meiner Unzufriedenheit sein“. 

Mir hilft Kierkegaards Weisheit. Sie öffnet mir den Blick für das Glück, das mir in meinem Leben vergönnt ist: Ein Dach über dem Kopf, gut beheizte Räume, Essen und Trinken, Kleider und Ausbildung und Medizin für mich und meine Lieben.

Wenn schon Vergleichen, dann nicht zum Selbstmitleid! Dann - um mich einzusetzen für die, die das entbehren müssen. Manchmal muss ich schmunzeln, wenn ich mich dabei ertappe, wie ich mich in einem Unglück wähne, das ich gar nicht erlebe. Ja, dann könnte ich Kierkegaards Warnung gut in die Reihe der Seligpreisungen stellen: Selig sind, die nicht vergleichen, sie werden zufrieden sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25820
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