SWR2 Wort zum Tag

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Weg-Kreuze gehen mir nach. Seit ich als Jugendlicher mein erstes gesehen habe. Als Norddeutscher im Süden. Mitten in der Landschaft: Jesus am Kreuz.
Unlängst ist mir eines besonders aufgefallen. Ein Steinkreuz aus leuchtend weißem Granit - ohne Korpus. Der Sockel – pechschwarz – vermutlich auch Granit: Darauf in goldenen Lettern eingraviert die Inschrift: „Habt ihr je Mangel gehabt?“

„Habt ihr je Mangel gehabt?“ – eine irritierende Frage – unters Kreuz gelegt. Jesus hat das einmal seine Jünger gefragt. Gerade eben noch – erzählt Lukas –  haben sie das Passahfest gefeiert, gegessen und getrunken – zur Erinnerung an den langen, schweren Weg in die Freiheit – mit Nöten und Entbehrungen – da kündigen sich die Schatten der kommenden Nacht an: Verrat – Gefangennahme – Spott und Qual – bis zum Tod am Kreuz. „Habt ihr je Mangel gehabt?“ – fragt Jesus (Lukas 22,35) da. Und provoziert ihre Antwort – will sie hören – will dass seine Weggefährten das selber hören:

„Nein – an nichts haben wir Mangel gehabt. Bis hierher nicht“. Die rhetorische Frage von Jesus will Vertrauen – will Hoffnung wecken. Und sie wappnen für die Herausforderungen die kommen. „Selbst wenn es noch enger wird – der Weg noch bedrohlicher – stellt euch darauf ein –  ihr braucht Geld und Proviant und Ausrüstung –  aber vergesst dabei nicht: Niemals war die Not größer als Gottes Beistand.“

Ich weiß nicht, wann das Kreuz mit dieser Frage Jesu auf der Schwäbischen Alb aufgestellt worden ist. Und ob die, die das Kreuz errichtet haben, selber Not und Mangel erlebt – durchlitten haben? Solche Zeiten gab es dort immer wieder. Hungersnöte. Eine ganz schlimme vor 200 Jahren – als eine Jahresernte ganz ausgefallen ist und die Menschen ihr Saatgut essen mussten. Ganz offensichtlich ist das Wegkreuz renoviert worden – der Stein neu geschliffen, die Inschrift –– neu vergoldet worden. Sozusagen aktualisiert – und soll daran erinnern: Hast Du – habt ihr je Mangel gehabt? Ja, antworten wohl viele. Wir kennen Mangel und Not. Und genau in diese Erfahrung hinein, spricht dieses Wegkreuz: Denke daran: Wie schwer auch der Weg ist, der vor dir liegt: Gehe weiter! Wappne dich und vertraue darauf –es ist genug für dich da. Gott verlässt dich nicht. Mir selber ist dieses Wegkreuz wie ein Hoffnungsproviant: Wenn ich mich einsam fühle, und innerlich auf der Flucht vor mir selber - auch dann bin ich nicht von Gott verlassen. Auch dann will ich noch beten: „Der HERR ist mein Hirte – mir wird nichts mangeln.“ (Ps 23,1)

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