SWR4 Abendgedanken

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Meine Mutter ist steinreich. Sie besitzt aber weder Immobilien noch Aktien. Sondern kleine Steine. Von denen hat sie eine ganze Menge. Sie liegen fein säuberlich angeordnet auf einem kleinen Tisch in ihrem Flur. Auf jedem Stein hat sie einen Aufkleber angebracht. Darauf steht, woher der Stein stammt. „Isle of Skye“ steht auf einem der Steine. Das ist eine schottische Insel. Diesen Stein hat meine Mutter vor 34 Jahren von einem Familienurlaub mitgebracht. „Großes Walsertal“ steht auf einem anderen Stein. Der stammt von einem Wanderurlaub in Österreich. Meine Mutter ist inzwischen 88 Jahre alt. Sie kann nicht mehr reisen. Darum bringen wir Kinder ihr jetzt Steine von unserem Urlaub mit. „Korsika“ steht auf einem der Steine. Den habe ich ihr letztes Jahr mitgebracht. Jedes Mal, wenn meine Mutter an den Steinen im Flur vorbeigeht und die Aufkleber liest, erinnert sie sich an herrlich unbeschwerte Tage. Dann freut sie sich. Und es freut sie auch, dass ihre Kinder schöne Urlaubstage erlebt haben. „Steine der Erinnerungen“, nennt meine Mutter die Steine.

So eine Idee hatten schon die Israeliten, von denen die Bibel erzählt. Als sie nach einem langen Fußmarsch durch die Wüste endlich das gelobte Land erreicht hatten, haben sie am Grenzfluss Jordan aus zwölf Steinen einen kleinen Steinhaufen errichtet. Der sollte sie und die Generationen nach ihnen daran erinnern, wie Gott sie einst sicher in das gelobte Land geführt hat. Sich daran zu erinnern sollte ihnen Gottvertrauen geben. So wie Gott uns damals beigestanden hat, so wird er uns auch jetzt und in Zukunft beistehen. Darauf wollten sie sich verlassen. 

Ich finde, solche Erinnerungssteine sind eine gute Sache. Überlegen Sie einmal, wo Sie Gottes Hilfe in ihrem Leben erfahren haben. Es ist gut, wenn Sie sich noch daran erinnern können. Und vielleicht fangen Sie ja in diesem Jahr auch an Steine zu sammeln. Dann fällt das Erinnern leichter. Legen sie die Steine irgendwo gut sichtbar hin. Immer wenn sie daran vorbeigehen. werden sie sich erinnern. Das macht dankbar. Meine Mutter jedenfalls ist dankbar. Weil sie steinreich ist an guten Erinnerungen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25817
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