SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich habe von einer älteren Frau gelesen, die Linkshänderin ist. In ihrer Kindheit wurde das als Krankheit angesehen. Ihre Eltern und Lehrer haben versucht, ihr die Linkshändigkeit abzuge­wöhnen. Beim Essen haben sie ihr die linke Hand auf den Rücken gebunden, auch beim Schreiben in der Schule. Man zwang sie, nur die rechte Hand zu benutzen. Als junges Mädchen ist sie in der Überzeugung aufgewachsen, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Heute noch kommen ihr die Tränen, wenn sie daran denkt.

Meine Tochter ist auch Linkshänderin. So wie meine Frau. Das wird heutzutage als normal akzeptiert. Niemand hat den beiden die linke Hand beim Essen oder Schreiben auf den Rücken gebunden. Es gibt inzwischen sogar Tassen und Scheren extra für Linkshänder.

Menschen, die anders waren als andere, hat es auch zurzeit Jesu gegeben. Da ist zum Beispiel eine Frau gewesen, die keinen guten Ruf hatte. Das lag an ihrem Lebenswandel. Die Leute hielten sie für krank. „Die hat einen bösen Geist“, hat man über sie gesagt. Aber krank ist sie nicht gewesen. Nur anders als die anderen. Eines Tages ist sie mitten in eine Männerrunde geplatzt, die sich um Jesus versammelt hatte. Sie hat den Verschluss einer Flasche mit sündhaft teurem Salböl geöffnet, hat es Jesus auf die Haare gegossen und seine Füße geküsst. Die anwesenden Männer waren empört. „Frauen haben in unserer Runde nichts zu suchen!“, haben sie gerufen. Aber Jesus hat die Frau in Schutz genommen. „Sie hat mir Gutes getan“, hat er gesagt. „Davon wird man noch lange erzählen.“

Ich finde es nicht richtig, einen anderen Menschen verächtlich anzusehen, nur weil er sich anders verhält als es üblich ist. Genauso ist es nicht richtig, einer Linkshänderin beim Essen die linke Hand auf den Rücken zu binden, nur weil sie anders ist. Als ob nur normal ist, was die Mehrheit tut.

Wie Jesus glaube ich, dass Gott die Menschen unterschiedlich gemacht hat. Mit unterschiedlichen Gaben und Fähigkeiten. Und ich akzeptiere, was Gott geschaffen hat. Jeder Mensch soll glücklich leben können so wie er ist. Und dabei anderen Gutes tun mit seinen Möglichkeiten - so wie die Frau es mit Jesus getan hat.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25816
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