Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die Mainzer Fastnacht finde ich große Klasse. Ich habe in Mainz studiert; in dieser Zeit habe ich die Fassenacht schätzen gelernt – und auch mitgemacht.

Die Sitzungen, Büttenreden, Garden, Kostüme, Fastnachtsumzüge – das hat ‘was. Das kann unsere Kultur bereichern. Es kann dem Einzelnen gut tun – und unserer Gesellschaft.

Einmal raus aus dem Alltag, Abstand bekommen, ausgelassen sein, lachen und tanzen – das tut gut, das ist zutiefst menschlich. Und es ist hilfreich, dass es auch dafür eine bestimmte Zeit gibt. Eine Zeit, die ganz davon geprägt ist. Eine Zeit, in der die leichte Seite des Lebens mal ganz vorne stehen darf. Und in der viele das erleben.

Die Fastnacht insgesamt, vor allem die Büttenreden und die Kostüme spiegeln wider: Jetzt geht es darum, wieder einmal Abstand zu gewinnen. Abstand von der Wirklichkeit, vom Alltag mit allen kleinen und großen Problemen. Abstand von dem, was mir das Leben schwer macht. Und: Abstand von mir selbst.

Deshalb verkleiden sich viele und schlüpfen so in andere, fremde Rollen; sie sind spielerisch mal jemand anders. Deshalb betrachten Büttenredner die Welt aus ungewohnten Perspektiven und halten uns den Spiegel vor. Aus einem gewissen Abstand sieht manches anders aus. Dann kann man es auch lockerer angehen.

Am wichtigsten ist das wohl bei mir selbst. Wenn die Fastnacht dazu beiträgt, dass ich auch ein wenig mehr Abstand von mir selbst bekomme, dann hat sie ihr Ziel erreicht. Dann, wenn ich mich selbst mal anders, lockerer erlebe. Wenn „das Kind im Manne“ eine neue Chance bekommt. Wenn ich auch mich selbst mal anders sehen kann. Denn wer Abstand zu sich selbst gewinnt, der kann auch gelöster mit sich und den anderen umgehen.

Das konnte Papst Johannes XXIII., ein höchst humorvoller Heiliger, sehr gut. Er hat sich gesagt: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25792
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