Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Mittags wenn ich Zeit habe zu kochen, höre ich immer Radio. Am liebsten Musik.  Und manchmal, wenn ein Lied kommt, das mich berührt, dann drehe ich die Musik ganz laut auf und fange an zu tanzen. Mit Kochlöffel in der Hand. Ich tanze und merke, wie das Leben leichter wird. Im Tanzen vergesse ich den Stress des Alltags. Die Sorgen um die Kinder, den Beruf. Alles fällt für einen Moment von mir ab. So ein Tanz ist für mich wie ein Kurzurlaub für die Seele – kurz aber effektiv.

Ich kenne eine Frau, die macht das auch so. Aber ihr hat das Tanzen gerade jemand verdorben. Ein Nachbar hat sie durch die offene Terrassentür gesehen und laut gesagt: „Die dreht wohl auch langsam durch – die Alte!“ Meine Freundin  hat das leider gehört. Da war der Urlaub vorbei. Mittendrin abgebrochen. Sie hat die Musik leiser gedreht und sich wieder dem Essen gewidmet – mit etwas Schamesröte im Gesicht und Ärger im Bauch.

Ich habe lange überlegt, wie ich sie trösten kann. Und dann ist mir König David in den Sinn gekommen. Dieser schillerndste und eindrucksvollste der israelitischen Könige. Der hat anders reagiert, als seine Frau ihm mal einen Tanz vermiesen wollte.  Damals hatte sie einen großen Sieg zu feiern. Sie hatten ihr größtes Heiligtum zurückgeholt. Feinde hatten es gestohlen.“

König David war überglücklich, dass es nun wieder da war. Und so begleitete er das Heiligtum bei seinem Einzug in Jerusalem und tanzte voller Freude vor ihm her. Selbstvergessen soll er dabei sogar halbnackt gewesen sein. Seiner Frau Michal war dieser Ausbruch sehr peinlich. Sie meinte, dass sich ein König würdevoller zu benehmen hätte. Doch David hat ihr selbstbewusst geantwortet: Vor meinem Gott kann ich mich zeigen, wie ich bin. Ich brauche keine Angst davor zu haben mich lächerlich zu machen. Durch meinen Tanz zeige ich meine Freude und Dankbarkeit. Und das ist wie ein Gebet.

Ob das den Nachbarn meiner Freundin überzeugen würde, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es die Freundin getröstet hat. Tanzen ist eine Möglichkeit dem Leben einen Ausdruck zu geben und vor Gott zu bringen, wie es einem gerade geht. Beim nächsten Mal, wenn jemand ihren tänzerischen Kurzurlaub stört, will meine Freundin getrost weitertanzen – mit königlichem Beistand.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25773
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