SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Für einen Gottesdienst habe ich mich wieder einmal mit dem Propheten Jona beschäftigt. Und dabei bemerkt, wie vorsichtig man sein muss, wenn man über Gott nachdenkt und spricht. Von Jona kann man nämlich lernen, wie man es nicht machen sollte.

Jona hält sich für einen ganz tollen Hecht. Er meint alles im Griff zu haben: sein Leben, seinen Beruf. Er denkt schnell und ist ein kluger Taktiker. Dem, was kommt, ist er immer einen Schritt voraus. Meint er. Eine Zeitlang scheint alles auch irgendwie gut zu gehen. Nach Niederlagen rappelt er sich wieder auf und hält an seinem bisherigen Modell fest: Gott will, dass er als sein Prophet etwas für ihn tut. Jona verspricht es, hält sich aber nur pro forma daran. Er mogelt sich so durch und meint, Gott merkt das nicht. Aber am Ende, ganz zuletzt, steht er ziemlich alleine da. Schutzlos, nackt gewissermaßen.

Denn: Wer meint, mit Gott taktieren zu können, der täuscht sich. Gerade für Gott trifft das Sprichwort zu: „Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt.“ Wer mit Gott rechnet, muss mit allem rechnen, vor allem mit dem, was unerwartet geschieht. Das gilt besonders, wenn man meint, verstanden zu haben, was Gott von einem will, und sich dann auf einmal wundert, dass alles anders aussieht.

Jona soll mit Ninive ins Gericht gehen. Gott hat auf die große Stadt einen Blick geworfen, weil es dort viele Schweinereien gibt: Menschen werden betrogen, Partner sind sich nicht treu, von Solidarität mit denen, die arm dran sind, keine Spur. Gott hat lange zugeschaut, aber jetzt ist es zu spät: Jona soll Ninive die Vernichtung ankündigen. Und Jona, der Taktiker... nimmt zuerst den Auftrag an, haut aber in Wahrheit ab. Dann geht er doch und hält eine Untergangsrede. Die wird aber nicht mehr gebraucht, weil Gott es sich anders überlegt hat. Und Ninive verschont. Aus Barmherzigkeit. Aus Milde.

Jona ist frustriert. Er ärgert sich über Gott, weil er ihm die Schuld an seiner Misere gibt. Dabei ist er selbst verantwortlich für sein Unglück. Er hat sich verzockt. Er hat gedacht, Gott zu kennen. Aber da täuscht er sich, so wie alle, die das meinen.

Ist Gott also unberechenbar? Wenn wir davon ausgehen, dass unsere Rechnung mit ihm aufgeht, dann ja. Menschliche Berechnung genügt nicht für ihn. Ich glaube: Gott sieht weiter und anderes als ich. Gott hat einen viel größeren Plan. Und ich sollte unterstellen, dass er dem sehr wohl treu bleibt. Von Prinzipientreue, wie wir sie oft verstehen, und von Hartherzigkeit scheint er nichts zu halten. Das hätte Jona gerne gehabt. Aber er ist auch nur ein kleines Rädchen im Getriebe von Gottes großem Plan. So wie wir alle.

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