SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Noch weiß ich nicht, mit welchem Gedanken der Tag heute für mich zu Ende gehen wird. Dazu ist der Abend zu jung. Es liegt noch etwas vor mir: bestimmt ein Gespräch, vielleicht eine Begegnung oder ein Ereignis. Und zu arbeiten gibt es immer auch noch etwas. Meinen letzten Gedanken werde ich wie immer fassen, wenn ich im Bett liege. Und meine Gedanken einfach ein bisschen schweifen lasse, bevor ich einschlafe.

Fast immer gehen sie zurück zu dem, was sich den Tag über ereignet hat. Wenn es mir gelingt, suche ich wenigstens nach einem schönen Erlebnis, bei dem es etwas zu lachen gab, oder wo ich einem anderen etwas Gutes tun konnte. Viel schwieriger ist es, wenn mir ein Streit im Nacken sitzt. Wenn es mir nicht gelingt abzuschalten, dann kreisen meine Gedanken immer und immer wieder um diese dunkle Erinnerung. „Hätte ich doch nur... Weshalb ist es so gekommen? Wird es eine Versöhnung geben?“ Mir geht es so, wie vermutlich den meisten Leuten: Wenn mich ein Konflikt beschäftigt, finde ich keine Ruhe. Ich grüble dann hin und her - und kann doch im Moment nichts ändern. Am Abend, am Ende des Tages. Es ist dann regelrecht eine Kunst abzuspannen, zu vergessen, und als letzten Gedanken etwas Positives zu finden.

Für den Fall aller Fälle, als letzten Ausweg sozusagen, habe ich dann einen Psalm parat, der meine Gedanken ordnet, der mich so ordnet, dass mein Herz weiter wird und mein Kopf freier. Es ist der Anfang des 127. Psalms. Er geht so:

Wenn nicht der Herr das Haus baut,

mühen sich umsonst, die daran bauen.

Wenn nicht der Herr die Stadt behütet,

wacht umsonst, der sie behütet.

Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt,

um das Brot der Mühsal zu essen;

was recht ist, gibt der HERR denen, die er liebt, im Schlaf.

(Ps 127,1f.)

Ja, ich gebe zu, da ist etwas dabei, das das Problem verdrängt, ohne es zu lösen. Das finde ich am Abend in Ordnung. Weil jetzt nicht der Moment dafür ist, es zu bearbeiten. Und weil ich meinen Schlaf brauche, um neue Kraft zu schöpfen. Und wenn es ganz gut geht, dann sehe ich anderntags sogar den größeren Zusammenhang von allem. Und der tut sich nur auf, wenn ich Gott mehr zutraue als mir selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25761
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