SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Früher haben die Menschen geglaubt, der Wohnort Gottes sei der Himmel über uns, ganz buchstäblich. Gottes Transzendenz ließ sich ganz gut fassen, wenn man ihn im Himmel, jenseits des wie ein Zelt ausgespannten Firmaments vermutete.

Doch dann hat die Vermessung des Himmels begonnen: Es kamen die Teleskope und Satelliten, die Astronauten und Kosmonauten – und irgendwann war es vorbei mit diesem kindlich-naiven Glauben, Gott wohne im Himmel über uns. Der Himmel – und selbst das All in seiner gewaltigen Größe – ist keine geeignete Herberge für Gott.

Wo aber „wohnt“ er dann? Manche Menschen sagen, Gott sei in der Natur zuhause. In Bäumen und Blumen, in den Gräsern, in der Schönheit einer Lotusblüte. Oder in den Urgewalten der Natur – im Wasser, im Sturm, im Feuer. Die Natur als eine Art Fingerabdruck Gottes in seiner Schöpfung. Ich kann dem etwas abgewinnen, aber es ist mir noch zu wenig. Zu viele ungeklärte Fragen bleiben: Was ist mit der bedrohlichen, Leben zerstörenden Seite der Natur? Erdbeben, Orkane, Überschwemmungen – ist Gott auch in ihnen zu finden?

Andere behaupten, Gottes Wohnungen seien die Kirchen und Tempel, die Synagogen, Moscheen und Klöster. Die von Menschenhand gebauten Gotteshäuser der Religionen dieser Welt. Ja, auch darin liegt etwas Wahres. Sofern wir es nicht wieder ausschließlich verstehen und Gott dingfest machen wollen in unseren Gebäuden.

Eine Geschichte aus der Bibel räumt schon früh mit solchen Vorstellungen auf: Nachdem der Jerusalemer Tempel für den Gott Israels fertig gestellt war, wurde das Bauwerk von König Salomo feierlich eröffnet. Und der hatte den Mut einzugestehen, dass Gott nicht in diesen vier Wänden zu fassen ist. Wenn Gott nicht einmal im Himmel und in allen Himmeln dieser Welt Platz hat, wie sollte er dann in dieses kleine Tempelgemäuer passen – fragte der Monarch in seinem so genannten „Tempelweihgebet“.

Wo also wohnt Gott? Die Bibel erzählt: Er hat keinen festen Wohnsitz. Er ist unterwegs – wie ein Nomade. Er schlägt sein Zelt dort auf, wo Menschen ihn suchen. In der Natur oder an geheiligten Orten. Den einen begegnet er als Arm, auf den man sich stützen kann, den anderen als Hand auf der Schulter. Für wieder andere ist er die Kraft, die sie morgens aufstehen lässt, ein tröstlicher Gedanke, ein mutmachendes Wort. „Wo die Liebe wohnt, da ist Gott“ – heißt es in einem Lied aus dem Kloster Taizé.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25748
weiterlesen...