SWR2 Wort zum Tag

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In seiner Jahrtausende währenden Geschichte war Jerusalem oft Zankapfel und in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt. Politische und strategische Ansprüche verbanden sich mit ihrem Besitz. Später führten drei große Religionen ihre Traditionen auf diesen Ort zurück: Judentum, Christentum und Islam. Bis heute leben sie hier in enger Nachbarschaft. Bisweilen friedlich, viel öfter aber in Konflikten – vor allem dann, wenn sich religiöse Ansprüche mit machtpolitischen verbinden oder hierfür instrumentalisiert werden.

Das ist traurig im Blick auf diese Stadt, die immerhin das Wort „Frieden“ – Shalom – in ihrem Namen trägt. Und es ist unangemessen, wenn man bedenkt, dass sich drei Religionen auf Jerusalem beziehen und sich damit das Erbe praktisch teilen und auch teilen müssen.

Wer immer Anspruch auf Jerusalem erhebt – ganz gleich, aus welchen Gründen –, sollte die Stadt daher nicht einfach für seine Partikularinteressen vereinnahmen, sondern für ihre religions- und völkerverbindende Stellung Verantwortung übernehmen. Darauf verweist bereits eine alte biblische Geschichte – die erste Stelle, an der Jerusalem in der Bibel literarisch erwähnt wird.

Sie erzählt von Abraham und seinem Neffen Lot. Der war samt seiner Familie im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen in der Jordanebene in Gefangenschaft geraten. Abraham hörte davon, stellte eine kleine Truppe zusammen und befreite seinen Neffen. Bei seiner Rückkehr kam ihm Melchisedek, der König von Jerusalem entgegen. Melchisedek war in Personalunion Priester am Heiligtum von Jerusalem. Nun bringt er Abraham Brot und Wein und segnet ihn. Im Anschluss kommt es zur Aussöhnung zwischen Abraham und demjenigen König, der Lot entführt hatte.

Die kurze Erzählung von Abraham und Melchisedek erinnert daran, dass Jerusalem mehr ist als eine Machtkapitale. Sie ist von alters her die Stadt des Friedens und der Versöhnung. Immerhin ist Abraham der „Urahn“ der drei Großreligionen Judentum, Christentum und Islam. Hier wird er von Melchisedek gesegnet. Und Melchisedek, von dem es bewusst heißt, er sei Priester des „höchsten Gottes“ – und nicht nur einer Stammesgottheit –, stiftet Frieden und Versöhnung zwischen den Kriegsparteien.

Dafür steht Jerusalem namentlich und symbolisch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25747
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