SWR3 Gedanken

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Vor meinem Fenster wird ein Haus gebaut. Jeden Tag sehe ich die Maurer und Handwerker. Morgens um sieben Uhr beginnen sie schon und dank Flutlicht arbeiten sie bis weit nach acht Uhr abends. Jeden Tag. Bei Wind und Wetter. Auch jetzt im Winter.

Und neulich ist mir etwas aufgefallen. Neben der Baugrube gibt es eine Wasserstelle. Ein einfacher Hahn unter freiem Himmel. Ein Mann ist zum Wasserhahn gegangen und hat begonnen, sich zu waschen. Ganz sorgfältig. Hände und Gesicht. Dann hat er die Schuhe ausgezogen und sich auch die Füße gewaschen. In der eisigen Kälte. Einige Stunden später habe ich den Mann erneut gesehen. Wieder hat er sich sorgfältig gewaschen. Friert der nicht? Was macht der da? Und dann ist mir ein Licht aufgegangen. Der Mann säubert sich für das Gebet. Er ist wohl gläubiger Moslem und hält die Gebetszeiten ein. Wahrscheinlich haben sie auf der Baustelle irgendwo einen Gebetsraum. Dafür unterbricht er die Arbeit und widmet sich für einen Moment seinem Glauben. Und aus der Baustelle wird ein heiliger Ort.

So ist das auch mit meinem Glauben, denke ich. Gott ist da, wo Menschen glauben. Er ist da, wo Menschen den Alltag unterbrechen. Wo sie beten und lieben. Und das kann überall sein. Gott ist nicht eitel. Er braucht keine Paläste, Tempel und Kirchen. Eine Baustelle reicht. Oder jeder andere beliebige Ort. An Weihnachten haben wir gefeiert, dass er sich selbst einen Stall ausgesucht hat für seine Geburt. Der Ort ist nicht entscheidend, sondern die Menschen und was sie tun. Und dann können sich  Himmel und Erde berühren, überall, und Gott kommt den Menschen ganz nah.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25713
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