SWR3 Gedanken

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„Immer im rechten Hosenbein ist ein Loch!“ Meine Schwägerin hat mir ihre Hose gezeigt. Und tatsächlich: Am Knie ist ein Loch. „Und meine anderen Hosen sehen genauso aus“ hat sie gesagt. „Aber nun weiß ich endlich, woher das kommt: Ich knie immer vor meinen Patienten nieder.“

Und dann hat sie es mir erklärt: Meine Schwägerin ist Kinderärztin. Sie will ihren Patienten auf Augenhöhe begegnen. Deshalb kniet sie die meiste Zeit vor ihnen. Weil die Kinder eben klein sind und sie groß. Und weil es als Kind sowieso schon schwer genug ist krank zu sein. Viele Kinder haben auch Angst, wenn sie zu ihr in die Praxis kommen. Und da will sie ihnen zeigen: „Schau, wir zwei sind auf Augenhöhe. Ich komme Dir entgegen. Ich nehme Dich ernst und möchte Dir helfen. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Ich finde das toll.

Jesus soll mal zu seinen Freunden und Freundinnen gesagt haben: „Wer groß sein will unter Euch, der sei Euer Diener!“ Wahre Größe hat etwas mit Haltung zu tun, so verstehe ich das. Ich brauche mich nicht aufzuplustern. Ich muss mich nicht größer machen als ich bin. Denn es geht nicht darum, dass ich gesehen werde. Es geht darum, dass ich die anderen sehe. Dass ich verstehe, was mein Gegenüber braucht. Da hilft es manchmal den Blickwinkel zu ändern. Da hilft es einander auf Augenhöhe zu begegnen. Manchmal muss man sich dann sogar kleiner machen als man ist, um Großes zu leisten. So wie meine Schwägerin.

„Auf die Löcher kannst Du echt stolz sein!“ habe ich ihr gesagt! Und insgeheim überlegt: Zum nächsten Geburtstag bekommt sie Knieschoner von mir.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25710
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