Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Fernab der Städte und Dörfer lebte ein Einsiedler. Eines Tages kamen Besucher vorbei. Sie fragten ihn: „Was für einen Sinn siehst Du in deinem Leben der Stille?“

Der Gottesmann war gerade damit beschäftigt, Wasser aus einem Brunnen zu schöpfen. Und so antwortete er: „Schaut in den Brunnen! Was seht ihr?“ Die Leute blickten in die Tiefe. „Wir sehen nichts.“ Nach einer kurzen Weile forderte der Einsiedler die Besucher noch einmal auf: „Schaut in den Brunnen! Was seht ihr?“ Wieder schauten sie hinunter. „Ja, jetzt sehen wir uns selber!“ „Seht ihr“, sagte der Mönch, „als ich vorhin Wasser schöpfte, da war das Wasser unruhig. Jetzt ist es ruhig. Das ist die Erfahrung der Stille:

Man sieht sich selber!“

Abschalten können. Ruhe finden. Zeit haben für sich. Zu sich selber kommen.

Das habe ich mir für das neue Jahr vorgenommen. Ich weiß doch: Der Einsiedler hat recht. Nur in der Stille kann ich mir selber begegnen, meine innere Mitte finden.

Aber das ist verdammt schwer. Da ist der alltägliche Krach um mich herum. Dazu die vielen Verpflichtungen im Job und daheim, die allgegenwärtigen Medien. Und wenn ich im wahrsten Sinne des Wortes einmal alles „abschalte“, dann bleiben trotzdem Bilder und Gedanken, die mich verfolgen. Obwohl es um mich herum still wird, lärmt es in mir weiter. So bleibt das Wasser des Brunnens immer in Bewegung.

In einer so lauten und hektischen Welt sind die Erfahrungen der Stille selten. Aber jeder Mensch kennt Orte, an denen er ruhig werden kann. Egal, ob auf dem Sofa zuhause, auf einem Spazierweg oder in einer Kirche.

Und so hoffe ich, dass es mir im neuen Jahr öfter gelingt, ruhig zu werden und zu mir selbst zu finden. Und vielleicht spüre ich dann die Gegenwart dessen, der einfach da ist und mich im letzten trägt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25672
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