Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Nachdenklich schlägt unser Sohn die Zeitung zu. „Warum klammern sich viele Menschen so sehr an die Macht?“ fragt er und antwortet gleich selbst: „Weil sie Angst haben. Wer die Macht hat, hat das Sagen. Und wer will schon verlieren, was so angenehm ist, Einfluss, Privilegien, Geld. All das wäre in Gefahr. Deshalb also klammern sich viele Menschen so an die Macht.“
Und doch gibt es andere Beispiele. Gibt es Menschen, die aus ihrem Machtgefüge aussteigen. Sie spielen nicht mehr mit. Sie wollen etwas anderes. Ihr zuvor mächtiges Leben gibt ihnen nichts mehr. Sie suchen etwas, was sie wirklich erfüllt.
So ein Mensch war die Heilige Elisabeth von Thüringen, deren Namenstag heute ist. Sie war eine Aussteigerin. Vor genau 800 Jahren wurde sie geboren als Gräfin: Privilegiert und wohlhabend. Gut versorgt und glücklich verheiratet. Aufgewachsen in festgelegten sozialen Rollen: Eine Gräfin lebt nur unter Adligen. Andere sind Dienstboten. Oder Tagelöhner oder Handwerker. Jedenfalls weit weg. Beide Bereiche haben nichts miteinander zu tun. So war das.
Doch Elisabeth entdeckte, dass da etwas nicht stimmte. Warum hungern die einen, während andere fröhliche Feste feiern? Warum sterben Menschen, nur weil niemand sie pflegt? Sie entdeckte ihr soziales Herz. Aus der Bibel hatte sie verstanden, dass die Menschen füreinander verantwortlich sind. Sie hatte verstanden, dass jeder Mensch ein von Gott geliebter Mensch ist. Denn dort heißt es: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“.
Elisabeth begann, ein neues Leben zu führen. Zunächst noch als Gräfin. Als Mächtige: Sie hatte das Geld, und sie schenkte den Armen. Früh starb ihr Mann. Da warfen die Verwandten Elisabeth aus der Wartburg. Aus Angst, sie könnte alle lächerlich machen. Sie könnte zu viel Geld verschenken. Sie könnte die Macht des Hauses schwächen.
Nun hatte Elisabeth keine Macht mehr. Und auch sonst nichts. Aber sie hatte ihre Hände und ihr Herz, und widmete sich in Marburg der Krankenpflege. Dass sie sich dabei selbst zu Tode gearbeitet hat, sehen wir heute sicher kritischer. Und doch hat sie der Nachwelt viel gegeben: Sie hat vorgemacht, dass es Wichtigeres gibt als die eigene Macht. Die Nächstenliebe nämlich.



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