SWR2 Wort zum Tag

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„Die gute Nacht“, hat Bertolt Brecht sein Weihnachtsgedicht genannt, das so beginnt: „Der Tag, vor dem der große Christ/zur Welt geboren worden ist /war hart und wüst und ohne Vernunft./Seine Eltern, ohne Unterkunft /fürchteten sich vor seiner Geburt/die gegen Abend erwartet wurd.“

Knapp und unsentimental schildert Brecht die Geschehnisse im Stall zu Bethlehem. Kein Goldhintergrund, kein offener Himmel, aus dem die Engel herbeifliegen. Nur: „Ochs und Esel waren dabei /damit alles in der Ordnung sei“. Heimlich tischt der Hausknecht einen Fisch auf, damit alle etwas zu essen haben.  

Immerhin bläst der Wind nicht so kalt wie sonst: „Aber bei der Nacht war er fast wie ein Fön“, so heißt es, „und der Stall war warm und das Kind sehr schön.“

Es ist eine Kargheit, die etwas Anrührendes hat. Brecht schildert sie in schlichten Worten, unter die sich ein wenig heitere Ironie zu mischen scheint: „Und es fehlte schon fast gar nichts mehr/da kamen auch noch die Dreikönig daher!/Maria und Joseph waren zufrieden sehr./Sie legten sich sehr zufrieden zum Ruhn/Mehr konnte die Welt für den Christ nicht tun.“

In wüsten Zeiten ist das, denke ich, eine ganze Menge: einem jungen Ehepaar Zuflucht und Nahrung zu geben, damit sein Kind in Ruhe auf die Welt kommen kann. Der warme Stall, der geteilte Fisch, der beruhigende Atem zweier Tiere. „Mehr konnte die Welt für den Christ nicht tun“.

Und doch liegt die Pointe der biblischen Weihnachtsgeschichte woanders. Nicht darin, was die Welt für Christus tut. Sondern zunächst in dem, was Christus für die Welt getan hat. Dass diese Welt, „wüst und ohne Vernunft“, wie es bei Brecht heißt, der Ort ist, wo Gott erscheint, eben dieses macht die Botschaft von Weihnachten aus. Und ermöglicht es mir dann, von der Zuwendung Gottes an Andere weiterzugeben.

„Er ist auf Erden kommen arm, dass er unser sich erbarm“. So klingt Weihnachten in der gesungenen Verkündigung von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium. Zur „guten Nacht“ erscheint der große Gott als armer, kleiner und verletzlicher Mensch.  

Und darum feiere ich Weihnachten, weil seit dieser Guten Nacht die Welt auf dem Kopf steht: im Dunkel der Welt das unvergängliche Licht. Im verletzlichen Leben der göttliche Glanz. Auf menschlichen Gesichtern die Menschenfreundlichkeit Gottes.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Bertolt Brecht „Die gute Nacht“ aus: Welch ein Fest. Das große
W
eihnachtsbuch, Hrsg. Gilda Donata und Hubert Selig, Frankfurt 2009

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25581
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