SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Eigentlich hätte es ein ganz übliches Krippenspiel werden sollen. Dass daraus aber eine Lehrstunde wurde, wie man selbst zum Engel wird, davon erzählt die Weihnachtsgeschichte von Ruth Schmidt-Mumm.

Zusammen mit ihrem Lehrer bereiten sich die Kinder einer Schulklasse auf das Krippenspiel vor. Die Rollen für Maria und Joseph sind leicht zu besetzen. Die Rolle des engherzigen Wirtes soll Tim, der kleine Bruder eines Schülers, spielen.

Was ein Wirt ist, das kennt Tim aus dem Urlaub. Und er muss zu Maria und Joseph auch nur sagen: „Nein, wir haben kein Zimmer mehr frei!“

Nach einigen Proben dann der Abend des Krippenspiels. Joseph und Maria ziehen müde und erschöpft in den voll besetzten Gemeindesaal ein.

Hoffnungsvolles Klopfen an der Tür der Herberge. Und die ängstliche Frage: „Haben Sie ein Zimmer frei?“

„Ja, gerne“, erklingt die leise Stimme von Tim. Betretenes Schweigen im Saal. Nur weil Joseph so geistesgegenwärtig ist, von sich aus den Stall mit der Krippe anzusteuern, platzt die Aufführung nicht.

Vor der zweiten Aufführung wird dem kleinen Tim noch einmal ausdrücklich eingeschärft, dass er ein klares „Nein“ zu sagen hätte. Eine zweite Panne – das würde nicht gehen!

Wieder erscheinen Joseph und Maria vor der Tür. Wieder ihre bange Frage: „Hier ist wohl kein Zimmer frei?“ Und in die gespannte Stille erklingt ein leises „Doch“ von Tim.

Für die dritte Aufführung wird Tim seiner Rolle als böser Wirt enthoben. Er bekommt Stoffflügel und wird zu den Engeln versetzt. Und niemand, so schließt die Geschichte, zweifelte daran, dass er dort am richtigen Platz war. 

Die Geschichte erzählt, wie ein kleiner Junge instinktiv versteht, um was es bei Weihnachten geht. Es kann nicht sein, dass man denen, die in Not sind, die Tür vor der Nase zuschlägt. Weihnachten macht Mut, das Drehbuch und die vorgegebene Rolle zu verlassen, um etwas Anderes, Menschlicheres auszuprobieren. 

Eine Geschichte, die aber auch zeigt: offene Türen brauchen nicht nur diejenigen, die draußen stehen. Auch für die drinnen, sind sie wichtig. Damit sie etwas mitbekommen von denen, die da draußen anklopfen und um Einlass bitten.

Weihnachten, das macht mir die Geschichte klar, bietet die Chance, die Regie zu ändern und zum Gastgeber Gottes zu werden. Manchmal reicht dafür schon ein Wort. Wenn aus einem Nein ein Ja wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25580
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