SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Du kannst doch nicht einfach stehen bleiben“. So hat auf dem Weihnachtsmarkt eine besorgte Mutter mit ihrer kleinen Tochter geschimpft. Die Kleine stand vor der lebendigen Krippe mit Schafen, Lämmern, zwei Eseln und – nicht ganz ein Ochse – einer Kuh. Da war das Mädchen einfach stehen geblieben. Das hat die Frau zuerst gar nicht bemerkt. Erst nach ein paar Metern hat sie sich umgedreht und ist zurückgekommen. Du kannst doch nicht einfach stehen bleiben … schimpft sie und dann bleibt sie auch stehen und schaut zur Krippe.

In dem Moment habe ich mir gedacht: Genau das ist richtig im Advent. Gerade in dieser Zeit einen Moment stehen zu bleiben. Vielleicht sogar ein paar Schritte zurücktreten, um dann die Augen zu öffnen für das, was um einen herum passiert. Früher war der Advent übrigens eine Fastenzeit. Eine ganz bewusste Zeit. Man hat sich vorbereitet. Aufgepasst, dass einen nichts ablenkt.

Zugegeben: Fasten ausgerechnet in der Adventszeit finde ich schwierig. Aber diese Zeit zu nutzen. Das finde ich wichtig. Eben, wie diese Frau und ihre Tochter auf dem Weihnachtsmarkt, den Alltag kurz zu unterbrechen und den Moment bewusst zu erleben. Ich glaube eigentlich, dass das jeder schaffen kann. Eine Tasse Tee und ein leckeres Plätzchen dazu. Eine Kerze in den dunklen Abendstunden. Einfach mal telefonieren. Mit jemandem, den ich eigentlich schon lange anrufen wollte, aber bisher nie geschafft habe. Den Kindern eine Adventsgeschichte vorlesen.

Mir ist völlig klar, dass der Advent auch wahnsinnig stressig ist. Zumal, wenn er wie dieses Jahr so kurz ist. In der Schule werden noch alle Klassenarbeiten geschrieben. Man hat bei der Arbeit noch 1000 Sachen zu tun, weil es eben noch vor Weihnachten fertig sein muss. Und dann muss man ja auch noch das Fest vorbereiten und die Geschenke besorgen und so.

Trotzdem will ich diesen einen Moment am Tag festhalten. Innehalten und mich umschauen. Meine Augen öffnen für das was um mich herum passiert, vielleicht für das was wirklich wichtig ist.

Gott selbst kommt zu uns. Das erzählt uns auch die lebendige Krippe. Das Mädchen bleibt stehen und sieht hin und hört zu. Manchmal ist das wichtiger als alles andere.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25571
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