Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Volkstrauertag, schon wieder einer dieser Gedenktage im November mit einer bedrückenden Stimmung. Es handelt sich nicht um einen kirchlichen Feiertag, sondern einen staatlichen Gedenktag. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er eingeführt als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten. Übrigens fand er damals nicht im tristen November, sondern am fünften Sonntag vor Ostern statt, also im Frühjahr. Die Nazis tauften diesen Tag dann um. Sie machten daraus den Heldengedenktag. Aus dem Totengedenken wurde Heldenverehrung. Der Grund ist offensichtlich. Aus den toten Soldaten des Ersten Weltkrieges wurden Helden, damit man Soldaten für den Zweiten Weltkrieg fand und ihre Strategie ist ja leider aufgegangen. Viele junge deutsche Männer sind nicht gezwungen, sondern hoch motiviert in den Zweiten Weltkrieg gezogen, um als Helden für das Vaterland zu sterben.
Land auf und land ab, in den Städten und Dörfern und auch in vielen Kirchen finden sich die so genannten Kriegerdenkmäler. Und häufig ist dort die Inschrift zu lesen: „Gefallen für das Vaterland“. Ich sträube mich gegen diesen Satz. Denn die Soldaten mussten ihr Leben nicht für das Vaterland lassen, sondern für die Großmannssucht von Herrschern, für eine menschenverachtende Ideologie und für den Gewinn der Rüstungsindustrie. Dem Vaterland hat ihr Tod nur Leid, Zerstörung, Schimpf und Schande eingebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man den Tag dann wieder Volkstrauertag genannt und hat ihn in den November verlegt, einer Zeit in der auch in der Kirche – am Ende des Kirchenjahres – die Themen Tod, Zeit und Ewigkeit eine Rolle spielen. Und man hat die Gruppe derer, der man gedenkt wesentlich verändert. Wir gedenken heute nicht nur der gefallenen deutschen Soldaten, sondern aller Kriegstoten. Also auch der Zivilisten und der Millionen gefallenen Soldaten anderer Nationen. Und es gibt noch eine weitere wichtige Erweiterung, man gedenkt heute nicht nur der Kriegstoten, sondern aller Opfer von Gewaltherrschaft. Also in unserer deutschen Geschichte gerade auch der Opfer des Nationalsozialismus. Und es ehrt jedes Dorf und jede Stadt, wenn man heute bei Kranzniederlegungen auch ihrer gedenkt: der Juden, der Sinti und Roma, der Behinderten, der Homosexuellen, der Menschen, die aus politischen oder religiösen Überzeugungen Widerstand geleistet haben, und der vielen anderen, die Opfer dieser Menschen verachtenden Ideologie wurden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2557
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