SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ein hellblau-weiß gestreifter Puppenwagen – das war einer meiner größten Kinderweihnachtswünsche. Aber der Nikolaus, den ich noch erlebt habe, war etwas knauserig. Darum blieb dieser große Weihnachtswunsch für immer unerfüllt. Leider. Oder vielleicht doch zum Glück?

Denn glücklich ist, wer immer noch was zu wünschen übrig hat. Da muss immer noch ein unerfülltes Restchen bleiben. Gerade so wie bei einem unserer Lieblingsspiele als Kinder, nämlich Zeltbauen. Wir besorgten uns ein paar Wolldecken. Dann organisierten wir noch zwei Besenstiele, eine Wäscheleine, einige Wäscheklammern und damit bauten wir uns ein Zelt. Im Winter in der Wohnung zwischen zwei Stühlen, im Sommer draußen. Das ging stundenlang. Immer krachte etwas zusammen, die Wäscheleine erwies sich als zu kurz, der Dackel meiner Freundin riss den tragenden Besenstiel weg. Und ich kann mich nicht erinnern, dass das Zelt richtig fertig wurde. Es wurde dunkel draußen, wir wurden wir zum Essen gerufen – und unser Zelt blieb ewig unvollendet, wie der Petersdom.

Irgendwann hat dann ein Kind aus der Nachbarschaft ein ganz und gar fertiges, echtes Zelt geschenkt bekommen. Der Aufbau ging ruckzuck – aber das Ergebnis war doch eher langweilig.

Glücklich ist, wer noch etwas zu wünschen übrig hat. „Der Leib will atmen und der Geist streben. Wer alles besäße, wäre über alles enttäuscht und missvergnügt. Sogar dem Verstand muss etwas zu wissen übrig bleiben, was die Neugier lockt und die Hoffnung belebt. Übersättigung an Glück sind tödlich.“ Das schrieb Balthasar Gracian, der spanische Geistliche, im frühen 17. Jahrhundert.  Zu einer Zeit, wo die Menschen ja noch wirklich viel zu wünschen übrig hatten: wirksame medizinische Hilfe bei Krankheit, halbwegs hygienische Lebensbedingungen, Quecksilberthermometer, Blitzableiter, elektrisches Licht, Konservendosen, Kreissägen – vom Kühlschrank, Internet, und Handy ganz zu schweigen. Das stand noch alles auf dem großen Wunschzettel der Menschheit und der wurde erst langsam abgearbeitet.

Mein Wunschzettel wird von Jahr zu Jahr  übersichtlicher.  Schon so wie der von alten Leuten und darauf steht dann nur noch: Hauptsache gesund! Und : Hauptsache Frieden! Was den Rest angeht, den man kaufen kann, bin ich überzeugt: Glücklich ist, wer noch etwas zu wünschen übrig hat.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25567
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