SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Mit dem Spekulatius im September fängt sie an. Die Geschichte mit Weihnachten und dem Nichtabwartenkönnen. Jeder beschwert sich und findet das total unangemessen, dass in den Lebensmittelläden schon das Weihnachtsgebäck in die Regale kommt. Aber alle wissen auch, Kaufleute räumen nur das in die Regale, was auch gekauft wird. Also irgendwer muss die Plätzchen schon im September kaufen. Ich nehme mal an, dass mit dem lauten öffentlichen Protest immer auch ein stiller Konsum einhergeht.

Ähnlich verhält es sich mit den Weihnachtsmärkten. In den meisten Städten sind sie jetzt schon dran. Es wird nicht bis Advent gewartet. Bratwurst- und Glühweinduft erfüllen jetzt schon unsere Plätze und Straßen. Und ähnlich wie beim Spekulatius im September: Ich finde es zwar nicht gut, dass es jetzt schon überall in der Stadt weihnachtet, aber wenn der Stand mit dem Glühwein nun mal gerade auf meinem Nachhauseweg steht?

So bin ich eben als Mensch, immer kompromissbereit. Mache einen Unterschied zwischen dem, was ich prinzipiell für richtig erachte und was ich konkret mache. Auch in der Kirche. Während in den Gottesdiensten konsequent in der Adventszeit kein fröhliches Weihnachtslied gesungen wird, sondern die eher getragenen Adventslieder, fährt man bei den Konzerten, die in den Kirchen stattfinden, nicht so eine harte Linie. Da heißt es bereits am ersten Adventssonntag manchmal „O Du fröhliche“ statt „Tauet Himmel den Gerechten“.

Es ist halt schwer mit dem Abwartenkönnen. Das Problem ist nur, wenn ich jetzt schon permanent Lebkuchen esse, schmeckt er mir an Weihnachten nicht mehr. Und wenn ich jetzt schon dauernd „Stille Nacht“ höre, bin ich an Weihnachten froh, wenn ich davon verschont werde.

Mal sehen, vielleicht schaffe ich es, zumindest diese Woche noch am Glühweinstand vorbei zugehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25433
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