SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Geduld ist nicht gerade eine meiner Stärken. Vorsichtig ausgedrückt. Ungeduld kenne ich schon eher. Ich könnte aus der Haut fahren in der Schlange vor der Kasse am Supermarkt. Dann, wenn jemand vor mir umständlich nach seinem Geldbeutel sucht oder die PIN falsch eingibt oder das Obst nicht abgewogen hat oder zum fröhlichen Plausch mit der Kassiererin ansetzt. Dann steigt mir der Blutdruck. Oder wenn alles Hupen nichts nützt, um dem Fahrer vor mir an der Ampel klar zu machen, dass „Rot“ vorbei ist und „Grün“ weiterfahren bedeutet. Ganz und gar nicht nette Gefühle spüre ich dann. Ebenso, wenn ich nach schlechten Erfahrungen mit der unpünktlichen Bahn dann doch das Auto benutzt habe und mich nach sechs überwundenen Autobahnbaustellen im finalen Stop-and-Go-Stau der siebten Baustelle wiederfinde.

Nein, ich bin nicht geduldig. Jedenfalls nicht immer. Gewiss Temperamentssache, Familiengene, man ist, wie man ist. Sich selbst aushalten ist nicht immer leicht. Umso mehr wünsche ich mir, dass ich gelassener bin, wenigstens  ein bisschen, um Dinge, die ich nicht ändern kann, hinzunehmen. Erst durchzuatmen, bevor ich poltere, leichter, langsamer, nachsichtiger zu sein oder zu werden. Das Gegenteil kann ich schon …

Wenn ich mal wieder besonders ungeduldig bin, schicke ich schon mal ein Stoßgebet in den Himmel. Nicht immer, aber manchmal schon. Ein Stoßgebet zu Gott, der Geduld im Übermaß hat und die auch braucht - mit Blick auf seine nur selten ganz geglückten Ebenbilder. Ich bitte ihn, mir ein bisschen von seiner Geduld abzugeben. Gelassener zu werden. Das heißt nicht dickfellig oder gleichgültig oder lethargisch werden zu wollen. Das sicher nicht. Wach und interessiert will ich bleiben, nur das innere Tempo möchte ich verlangsamen, den inneren Stress abbauen. Und ich bitte Gott auch um Geduld beim Geduldiger-Werden. Ich erwarte nicht, dass ich plötzlich geheilt bin, ich möchte mich nicht überfordern. Vielleicht erst mal über mich schmunzeln, vielleicht sogar lachen lernen - nach dem nächsten genervten „Das-darf-doch-nicht-wahr-sein-Seufzer“, der mir so oft und schnell entfährt. Mein Stoßgebet heißt: „Fahr mir in die Parade Herr und brems meine Ungeduld. Hab Du Geduld mit mir, wie ich mit anderen und sie mit mir. Amen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25430
weiterlesen...