SWR3 Gedanken

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Einen Tänzer, der ungefragt einen Leibwächter an seiner Seite hatte, das habe ich in Freiburg gesehen.

Ich stehe auf dem Platz der alten Synagoge. Die stand hier, bevor die Nazis sie in ihrem Wahn zerstört haben. Jetzt ist der Platz vor der Uni neu gepflastert und da wo die alte Synagoge stand, ist jetzt eine etwas erhöhte große Wasserfläche entstanden.

Mitten in diesem Wasser steht ein Mann, von oben bis unten weiß gekleidet. Ganz langsam bewegt er sich. Er tanzt. Später hab ich gelesen, dass das ein jüdischer Trauertanz gewesen ist. Um daran zu erinnern, was an diesem historischen Platz passiert ist.

Neben dem Wasser steht ein älterer Herr mit Schirmmütze. Immer nah beim Tänzer. Er guckt zu und er schaut sich um. Es wirkt so, als würde er aufpassen.

Ich spreche den Herrn mit Schirmmütze an. Und frage ihn, ob er dazu gehört, und ob er weiß, was der Tänzer macht. „Nein, ich kenne den Menschen nicht und ich weiß auch nicht, was seine Bewegungen bedeuten.“ „Und warum stehen Sie dann hier?“ frage ich. Er antwortet: „Ich glaube, dass es für ihn wichtig ist und deshalb passe ich auf ihn auf. Ich habe das Gefühl, ich muss ihn ein bisschen schützen und für ihn Verantwortung übernehmen.“

Ich denke: O je, bestimmt einer von diesen selbsternannten Wachhunden. Die kenne ich.

Aber dann, je länger ich darüber nachdenke, desto besser finde ich das.

Der Herr mit Schirmmütze ist genau in diesem Moment schlicht seinem Gefühl gefolgt. Er ist für einen anderen da. Einfach so. Er hat gespürt, dass es jetzt wichtig ist, darauf zu achten, dass der Mann im Wasser ungestört sein kann. Das finde ich bewundernswert.

Dass der Tänzer das so ungestört machen konnte, hat er sicher auch seinem unbekannten Personenschützer mit Schirmmütze zu verdanken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25423
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