SWR2 Wort zum Tag

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Wo sind die Toten? Auf dem Friedhof – im Grab? Manche sagen mir: „Ich gehe oft auf den Friedhof. Bei jedem Wetter. Der Weg zum Grab – das Grab mit Blumen schmücken – Innehalten – Stille – ein Gebet – ein Licht anzünden – alles das gibt mir ein Gefühl von Nähe. Da spüre ich – wir sind weiter verbunden.“
Mir geht das auch so: Stehe ich am Grab von einem Menschen, der mir nahe war, schaue ich wieder und wieder auf das Geburtsjahr und das Sterbejahr.

Das ist wie eine Zeitreise. Da werden Erinnerungen in mir wach – da leben die Verstorbenen in mir. Wehmütig werde ich da oft – und auch dankbar – für gemeinsame Begegnungen. Für alle erfüllten Stunden. Und was unerfüllt geblieben ist – was auf der Strecke blieb - das tut manchmal richtig weh. Wo sind die Toten?

Auf dem Friedhof. Für mich sind Friedhöfe gute Orte – Orte der Erinnerung und Begegnung. Ich weiß, wie viele sich danach sehnen - wie sehr sie ein Grab für ihre Lieben vermissen, weil sie spurlos verschwunden sind. In Kriegen, in Katastrophen oder Unglücksfällen.
Wie gut sind Gräber für viele, die um einen Menschen trauern – ob bekannt oder unbekannt. Nicht nur für die engsten Familienangehörigen – für alle, die um einen Verstorbenen trauern.

Andere empfinden ein Grab ganz anders - und sagen mir:
„Wie oft bin ich in letzter Zeit zum Grab gegangen. Aber - das gibt mir nichts. Da komme ich leer zurück. Da bekomme ich keinen Kontakt. Da ist er nicht – das ist so weit weg. Ich bin enttäuscht.“ Wo sind die Toten? Auf dem Friedhof – im Grab? Ja, gewiss, da sind die sterblichen Überreste. Für mich aber nicht allein da.

Verschwunden – entzogen – das ja – aber doch nicht weg und aus und vorbei. Christen sagen: Die Toten sind in Gottes Händen geborgen. Was für mich auch heißt: Ich kann und muss nichts für den Toten tun. Denn da reichen meine Hände nicht hin.

Allerdings in mir – in meinem Leben – und vor anderen – im Erinnern – da kann ich einem Verstorbenen Bedeutung und Raum geben. Wie immer und wo immer. Ob auf dem Weg zum Grab – Morgen am Totensonntag. Oder im Gottesdienst beim Totengedenken – oder daheim, wenn ich eine Kerze anzünde.

Wo immer ich ein Zeichen setze – will ich damit ausdrücken:
Wir sind weiter verbunden – Lebende wie Tote – nämlich in Gottes Händen geborgen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25404
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