SWR2 Wort zum Tag

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Medizin stößt immer wieder an ihre Grenzen: beim Heilen – beim Leben erhalten – beim Leben verlängern. Die moderne Medizin kann viel – ich bewundere sie dafür - doch an der Grenze - da wird es richtig schwer. Schwer erträglich – bis unerträglich. Besonders für Sterbenskranke. Wenn Ärzte und Angehörige alle medizinischen Möglichkeiten ausschöpfen wollen, manchmal auch müssen. Wie qualvoll kann das sein...
Was kann und was soll Therapie da noch? Was ist da noch am Horizont – bei hochdosierten Medikamenten ­– an Schläuchen und Apparaten?

Wenn ich das bei Patienten miterlebe, kann ich das schwer aushalten. Wenn ich dann noch höre, wie Patienten flehen - „Macht ein Ende mit mir! Helfen Sie mir!“ - und ich weiß, ich kann gar nicht helfen und darf auch nicht - die Kranke muss den Weg weiter gehen – bis zuletzt, dann plagt mich das. Das geht mir nach. Ich kann das gar nicht vergessen, das Wimmern und Flehen. Was kann dann noch sein?

Die Dichterin Eva Zeller hat es für einen Schwerstkranken – im Angesicht der letzten Stunde – so in Worte gefasst:

„Befeuchtet mir nicht / mehr die Lippen, zieht mir die Kanülen / aus meinen Venen, //
hört auf, mich / zu beatmen, nehmt, / die gelbe Urintasche / von der Bettseite, / geht, //
der letzten Worte / sind genug gefallen. //
Noch kann ich die / Lider selber schließen, / um an Deinem Bild / zu erwachen.“ *

In Eva Zellers Gedicht „Stündlein“ gibt es eine Wende. Ohne Leid und Schmerz zu verharmlosen, bekommt die beklemmende – aussichtslose Lage – einen Horizont. Das nämlich kann dann noch sein: „Noch kann ich die / Lider selber schließen, / um an Deinem Bild / zu erwachen.“

Ein Horizont – eine Orientierung – ein Lichtblick. Für die letzte Stunde und für das, was kommt. Kein Weg ins OFF – ins Dunkle.
Selber die Augen schließen - und an SEINEM Bild erwachen. Eva Zeller sagt es mit einem Wort aus Psalm 17, wo es heißt:
„Ich will satt werden, wenn ich erwache an DEINEM Bilde...“

Das heißt für mich: In der letzten Stunde nicht ins Nichts wegsterben –sondern auf Gott zu sterben – in seine Nähe. Erwachen und IHM begegnen.
„Alles Illusion? Nicht messbar!“ Ja, nicht messbar, nicht überprüfbar – aber es trägt. Mich und meine Furcht vor der letzten Stunde. Am Ende – ganz am Ende –  ist Gott, von dem ich herkomme, der mich erwartet– und mich einst neu ins Leben ruft.

 * »Stündlein«, in: Eva Zeller, Ein Stein aus Davids Hirtentasche, Freiburg 1992

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25403
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