SWR2 Wort zum Tag

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„Man soll nicht lügen“ – das ist die erste Erkenntnis, die meine Konfirmanden aus dem achten Gebot herauslesen, als wir darüber sprechen. In der Bibelübersetzung Martin Luthers lautet es: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Für Konfirmanden schwer verdauliches Deutsch: Da ist schon fremd, was „wider“ bedeuten soll, vom „falschen Zeugnis“ ganz zu schweigen. Mit „Zeugnis“ assoziieren 13- bis 14-Jährige im Normalfall anderes.

Wenn ich ihnen dann eine Szene vor Augen male, bei denen Zeugen vor Gericht eine Aussage machen und deutlich wird, wie sehr es darauf ankommt, dass ihre Bezeugung verlässlich und wahr ist, wird die Sache schon klarer. Dann sprudeln auch die Beispiele aus der Lebenswelt der Heranwachsenden, denn eine Falschaussage – die gibt es unter Umständen ja nicht nur vor Gericht, sondern möglicherweise auch im Klassenzimmer; und schon wird einer angeschwärzt.

„Und wie ist das mit euren Smartphones?“, will ich wissen. Diese Tratschtüten ersten Ranges. „Was gebt ihr da über andere weiter?“ Eine Konfirmandin überlegt kurz, schaut mich an und sagt: „Also könnte das Gebot auch heißen: Du sollst nicht lästern!?“ Volltreffer!

Wo immer wir übereinander reden – und zwar bevorzugt in Abwesenheit desjenigen, über den geredet wird – steht das Bild einer Persönlichkeit mit im Raum – und auch in Frage. Wir malen an diesem Bild mit, vielleicht sogar ganz entscheidend. Die Gefahr von Verzeichnungen und Verunglimpfungen ist da nicht weit weg.

Das – nach Luthers Zählung – achte Gebot aus dem so genannten Dekalog, jener „Grundrechtecharta“ der Bibel, hat es wesentlich mit der Ehre eines Menschen zu tun, mit seinen Persönlichkeitsrechten. Und es schärft ein, dass jeder Mensch den Anspruch hat, dass nur Wahres über ihn verbreitet werden darf – und um es ganz deutlich zu sagen: nicht alles, was wahr ist, gehört an die Öffentlichkeit oder auch nur in die Halböffentlichkeit.

„Du sollst kein falsch Zeugnis reden…“ – das fängt bei der Lüge oder beim alltäglichen Lästern an und hört beim Shitstorm noch nicht auf. Meine Konfirmanden merken, dass man mit Fake-News über andere leicht jemanden aus einer Gemeinschaft ausgrenzen kann. Selbst eine Übersetzung, die weit ausgreift, wäre dem Horizont des achten Gebotes durchaus angemessen, wie zum Beispiel: „Du sollst niemanden mobben“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25393
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