SWR4 Abendgedanken

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Wozu ist ein Bußtag gut? Steht ja für heute im Kalender: Buß- und Bettag. Ein Feiertag ist dieser Tag - außer in Sachsen - schon seit 1995 nicht mehr. Aber er steht noch im Kalender. Vielleicht, damit man sich auch außerhalb von Sachsen noch daran erinnert, dass ein Bußtag eine sinnvolle Sache ist.

Wir sagen: „Das wirst du mir büßen!“ Das klingt nach Rache. Eine böse Drohung. Der andere hat mir etwas getan, dafür soll er jetzt bezahlen. So gehen Menschen oft miteinander um. Wenn mich jemand ärgert oder verletzt, dann will ich Wiedergutmachung. Dann soll er dafür büßen. Das ist doch mein Recht!  Jawoll! Das steht mir doch zu!

Buße tun, das heißt ja eigentlich: umdenken, umkehren. Es geht nicht darum, dass ein anderer mir etwas büßen muss, sondern es soll ein Tag für mich sein. Ein Tag, an dem ich umdenke und die Dinge neu bewerte. Und deshalb frage ich mich: Könnte so ein Bußtag nicht auch ein Tag sein, an dem gerade einmal nicht Bezahltag ist? Ausnahmsweise. Wenigstens ein Tag im Jahr, an dem ich nichts fordere. An dem ich darauf verzichte, dass sich jemand entschuldigt oder rechtfertigt oder zerknirscht ist?

Ich überlege, bei wem ich so großzügig sein kann. Kann ich Petra verzeihen, dass sie mich beleidigt hat? Kann ich Paul nachsehen, dass er mich belogen hat? Und wohin dann mit all meiner Enttäuschung und meiner Verletzung? Wie soll ich da großzügig sein?

Martin Luther hat gewusst, dass Vergeben nicht leicht ist. Einem Freund, dem das anscheinend auch schwer gefallen ist, hat er geraten, gnädig mit denen zu sein, die ihn verletzt haben:

„Uns ist mit ihrem Verderben nicht geholfen,“ schreibt Luther und fährt fort: „sondern (wir) wollten sie viel lieber mit uns selig sehen (...). Und wer hier fühlt, dass er nicht recht vergeben kann, der mag um Gnade bitten, dass er vergeben könne.“

Und da fällt mir ein:
Buß- und Bettag, der Name des Tages geht ja noch weiter. Außer von Buße ist vom Beten die Rede. Das könnte helfen, mit denen zurechtzukommen, die mich enttäuscht haben: Indem ich Gott davon erzähle, was mich kränkt und verletzt und belastet. Ich kann beten: Vergib mir meine Schuld, wie ich meinem Schuldiger vergebe. Dabei wird mir klar: Ich habe auch meinen Teil an dem, was passiert ist. Ich bin auch darauf angewiesen, dass andere mir verzeihen.

Buß- und Bettag, das ist fast überall kein Feiertag mehr. Aber es könnte vielleicht einer werden, wenn ich es mir mit ein paar Leuten leichter mache und gnädig mit ihnen bin. Weil Gott ja auch gnädig mit mir ist.

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