SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Schön, dass du da bist!“ Das hört jeder gern. Da sind Leute, die mich kennen und sich freuen, dass ich gekommen bin. Wie schön!

Das Gegenteil davon kann der Satz sein: „Bitte zeigen Sie mir Ihren Ausweis!“ Dieser Satz war fast eine Beleidigung für die alte Dame im Wahllokal. Ich habe in der Warteschlange gestanden, wo man die Wahlunterlagen bekommt. Da ist sie an mir vorbeigerauscht und hat laut geschimpft:
„Fünfzig Jahre lang lebe ich nun schon in dieser Stadt, und dann werde ich nach meinem Ausweis gefragt.“

Das hat sie geärgert. Obwohl man sie im Wahllokal ja nur ganz ordnungsgemäß nach dem Ausweis gefragt hat. So wie es die Pflicht war für die Wahlhelfer. Aber sie hat offenbar gedacht: Jeder in dieser kleinen Stadt kennt mich. Und jetzt das! Die Wahlhelfer haben die Frau nicht gekannt. Darüber war sie bitter enttäuscht.

Aber die Geschichte ging dann noch weiter:
Ein Wahlhelfer hat sehr souverän reagiert und ist der verärgerten Frau nachgegangen. Und hat sie tatsächlich besänftigen können. Dass er das schafft, hätte ich kaum für möglich gehalten. Die alte Dame war wirklich aufgebracht.

Wie der Wahlhelfer reagiert hat, das hat mir gut gefallen: Er hat nicht gedacht: Soll sie doch machen, was sie will. Wer nicht will, der hat schon. Er hat sie zurückgeholt.

Und von Jesus lerne ich, dass Gott auch so mit mir umgeht. Wenn ich das Gefühl habe, dass er mich nicht im Blick hat, wenn ich ihn deshalb links liegen lasse, dann geht er mir nach und lenkt mein Leben so, dass ich ihn wieder in den Blick bekomme. Wenn ich beleidigt bin, schickt er mir seine Engel. Solche Engel sind für mich Menschen, die mir von seiner Lebenskraft erzählen oder solche, die ihr Leben nach Gottes Willen gestalten oder die einem Enttäuschten nachgehen. Jesus erzählt von dem Hirten, der ein einzelnes, verlorengegangenes Schaf sucht, obwohl er noch 99 andere hat. So ist Gott, und so sind manche Menschen, die sorgsam mit anderen umgehen - wie der freundliche Wahlhelfer.

In dem alten Kinderlied „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“ heißt es: „Gott, der Herr, hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eines fehlet.“ Gemeint sind die Sterne, die Wolken, die Tiere und vor allem: Die Menschen. Jeden kennt Gott persönlich. Er freut sich über jeden und sagt: „Schön, dass Du da bist.“

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