SWR2 Wort zum Tag

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Was ist wahr? Das ist eine uralte Frage. Große und bekannte Denker haben sich damit auseinandergesetzt und viele einfache Menschen, die ihre Gedanken nicht aufgeschrieben haben. Mich beeindruckt ein Satz von Dietrich Bonhoeffer. Er hat gesagt: „Wahrheit soll geschehen, sie soll nicht nur gedacht werden oder gewollt, sondern getan werden.“

Wenn das, was ich weiß, nicht übereinstimmt mit dem, was ich sage und auch nicht mit dem, wie ich handle, dann gilt das als unwahrhaftig. Das ist bei den großen Lebensthemen so und ebenso im täglichen Miteinander. Beispiele dafür gibt es genügend. Wie oft habe ich mich in meinem Beruf öffentlich dafür eingesetzt, dass jeder Mensch unter gerechten und menschenwürdigen Bedingungen leben soll. Und wie unsensibel bin ich manchmal für die bescheidenen Anliegen eines Menschen unmittelbar neben mir. Und ich weiß auch, wie rasch ich mit Entschuldigungen bei der Hand bin. So ist das.

Es gibt Menschen, die glaubwürdig sind; Menschen, die etwas Ermutigendes ausstrahlen, oft weit über ihren Tod hinaus. Ich habe zum Beispiel einen väterlichen Freund vor Augen, einen Maler und Bildhauer, der vor wenigen Jahren gestorben ist. Er war ein durch und durch ehrlicher und bescheidener Mensch, von dem ich nie ein ungerechtes Wort über andere gehört habe. Er hat sehr an den Erlebnissen des Kriegs gelitten, hatte Ängste und war sich auch seiner Schwächen bewusst. Bei alldem war er dennoch sehr selbstbewusst. Ich habe an ihm erlebt, wie ein Mensch stark sein kann, wenn er von einem tiefen Vertrauen getragen ist. Er hat den Menschen vertraut, durch und durch. Und er hat Gott vertraut. Das war der Grund für sein Selbstvertrauen. Solche Menschen nennt man authentisch. Ich verzeihe ihnen auch leichter einen Fehler, weil ich mich auf sie verlassen kann. 

Ich sage nicht, dass ein authentisches Leben immer ein leichtes und harmonisches Leben ist. Es kann mit Konflikten verbunden sein, ja Widerstand auslösen bis hin zur Verfolgung, wenn jemand seinen moralischen Überzeugungen bis zuletzt treu bleibt. Dietrich Bonhoeffer, von dem am Anfang die Rede war, hat mit seinem Leben dafür bezahlt. Aber auch wenn ich überhaupt nicht bedroht bin, wenn alles viel alltäglicher ist, so stellt es doch eine große Herausforderung dar, glaubwürdig zu leben, oder auch: die Wahrheit zu tun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25351
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