SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Wenn ich autofahre, höre ich fast immer Radio. Wenn ich im Aufzug stehe, rufe ich mit dem Smartphone Mails ab. Wenn ich telefoniere, räume ich den Schreibtisch auf. Vieles geht einfach so nebenher. Ich habe es manchmal sogar schon geschafft, dass ich drei Dinge nebeneinander her erledige: Mails schreiben, telefonieren und einen Schluck Wasser trinken. Das klingt nach optimiertem Zeitmanagement. Aber ich finde es eigentlich ganz schön anstrengend und nach so einer Dreifach-Aktion habe ich meistens gar keine Zeit eingespart. Wenn ich nämlich auf eine Antwort auf meine SMS warte und dann merke, dass ich sie zwar nebenher geschrieben, aber vergessen habe, auf „Senden“ zu drücken. Dann habe ich ja keine Zeit gespart. Und solange ich auf die Antwort warte, die nicht kommt, ist das auch kein Mehr an intensivem Leben. Ich glaube, intensiver leben würde ich, wenn ich weniger nebenher machen und mehr in der Gegenwart sein könnte.

Ein Schritt dazu ist eben immer nur eine Sache nach der anderen zu erledigen. Und dabei zu üben, dass ich nicht in Gedanken bei dem bin, was grad vorher war, und auch nicht bei den Aufgaben, die ich nachher noch erledigen muss oder dass ich im Kopf schon den Einkaufszettel für morgen durchgehe. Einfach nur im Jetzt sein. Ein buddhistischer Mönch beschreibt dieses im Jetzt-Sein so: Wenn ich Geschirr abspüle, spüle ich Geschirr ab und wenn ich eine Mandarine schäle, schäle ich eine Mandarine. Das klingt so banal und trotzdem ist es so schwer. Wenn ich das versuche, muss ich mich richtig beherrschen, nicht doch schon was anderes nebenher anzufangen. Oder mindestens schon daran zu denken. Ich finde das so schwer, weil ich das Gefühl habe, dass die Zeit bei so etwas viel langsamer vergeht. Und weil ich sonst immer jede Minute so effektiv wie möglich nutze, ist das ungewohnt. Und genau das ist ja der Punkt, wenn ich im Jetzt bin: Ich halte inne und orientiere mich neu. Von einem Moment zum nächsten. Das ist nicht so stressig, weil ich ja eines nach dem anderen erledige. Ich habe das hin und wieder schon versucht, wenn ich im Stau stehe. Ich kann den Stau mit meiner Ungeduld ja nicht auflösen. Ich kann aber versuchen, diese Zeit die ich da auf einmal habe, ob ich will oder nicht, als einen Augenblick meines Lebens bewusst zu erleben. Als ein Moment meines Lebens. Auch wenn es Momente gibt, die vielleicht nicht so banal sind, wie der Platz hinterm Steuer und der Blick auf die Rücklichter des Vordermanns.

Für mich ist dieses Im-Jetzt-Sein etwas Göttliches. Denn egal, wie banal der Moment ist, es ist ein Moment, in dem ich lebe und atme. Und das verbindet mich mit dem, von dem ich das Leben habe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25337
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