SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Den kann ich nicht riechen!“ – sagen viele, wenn sie einen Menschen nicht mögen. Mit ihm wollen sie nichts zu tun haben. Schon wenn sie seinen Namen hören, kriegen sie schlechte Laune. Offenbar ist die Nase mehr als nur ein Sinnesorgan. Sie ist verknüpft mit unseren inneren Gefühlen.

Das kann ich bestätigen. Wenn ich in der Weihnachtszeit Zimt rieche, erinnere ich mich an meine Kindheit. Ich denke an die besonderen Lebkuchen, die es nur am Heiligen Abend gab. Die habe ich mir immer gut eingeteilt, damit sie möglichst lange reichen.

Dass das Riechen schöne Erinnerungen und Gefühle wecken kann, erlebt auch die alte Frau, deren Mann ich beerdigt habe. Sie hat erzählt: „Hin und wieder nehme ich die Strickjacke meines Mannes, die immer noch im Schrank hängt, und dann rieche ich an ihr. Und dann weiß ich wieder, dass es ihn gab und wie es mit ihm war.“ Der Geruch weckt die schönen Erinnerungen in ihr.

Aber es gibt auch das andere, dass Düfte und Gerüche uns an etwas Schlimmes erinnern. „Ich gehe sehr ungern in den Keller,“ hat mir meine Tante erzählt, „denn der modrige Geruch weckt meine Erinnerungen an die Stunden im Luftschutzkeller. Da hatte ich Angst und mir war kalt.“

Auch Gott kann riechen. Das sagt die Bibel. Nachdem die furchtbare Sintflut vorbei und alles Land wieder trocken war, ist Noah mit seiner Familie aus der Arche gestiegen. Sie waren der Katastrophe entronnen. Da hat Noah, wie es damals Brauch war, einen Altar gebaut, ein Feuer darauf gemacht und für Gott ein Tier geopfert. Als Gott den Duft roch, erzählt die Bibel, gefiel er ihm so sehr, dass er beschlossen hat: „Nie mehr wieder will ich alles Leben auf der Erde vernichten. Die Menschen sind mir wertvoll und lieb, obwohl sie so böse sein können. Ich will in Zukunft gut für sie sorgen.“

Mit anderen Worten: Gott mag uns riechen! Ich finde, das ist eine schöne Vorstellung. Sie sagt mir: Gott rümpft nicht die Nase über uns und sagt: „Eure Bosheit stinkt zum Himmel! Mit euch will ich nichts mehr zu tun haben!“ So nicht, sondern: „Ihr seid meine geliebten Menschen. Ich will für euch sorgen. Darauf könnt ihr euch verlassen.“ Gott mag uns riechen. Ich finde, das ist ein tröstlicher Gedanke.

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