SWR2 Wort zum Tag

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Toll dieser Buchtitel im Schaufenster: „Ich treffe Dich zwischen den Zeilen“. Wie oft ich dieses Gefühl schon gehabt beim Lesen eines Buches. Und Sie kennen das sicher auch: „Ich treffe Dich zwischen den Zeilen.“ Die Begegnung mit den „Du‘s“ findet oft nicht direkt in den Buchstaben statt. Sondern in den Raum, den gute Geschichten öffnen. In den man hineingehen kann und Leben probieren. Oder Seiten aufschlagen, die man im normalen Leben meidet oder verkümmern lässt.

Wie viele Du‘s sind mir in Büchern nicht schon begegnet. Andere Menschen. Ich mir auch selbst. Auch Gott kann man zwischen Zeilen treffen. In der Bibel, aber auch in anderen Büchern. Als Junge bei Karl May zB. Er hat mein Gottesbild nachhaltig bewegt. May schreibt ja leidenschaftlich von der Sehnsucht nach Frieden. Und diese Sehnsucht nach Frieden ist bei ihm ganz eng mit Gott verknüpft. Gewalt und Krieg stehen gegen Gott, den Jesus verkörpert. Das verbindet sich für mich auch mit Winnetou. Seither weiß ich: Christen versuchen, Gewalt zu unterbrechen. Wie Jesus gesagt hat: „Selig sind die Friedensstifter.“

‚Zwischen den Zeilen‘ Gott treffen. Ich glaube, das hätte auch Martin Luther sagen können. Darum hat er die Bibel so lebensprall übersetzt. Normale Menschen sollten in den Zeilen Gott treffen und hören, ER ist für uns. In unserem Leben. „Man muss den einfachen Menschen aufs Maul schauen,“ hat Luther gesagt. Und die Bibel so übersetzen. Wie die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, der einfache Mann auf dem Markt reden.

Wenn ich in den Raum zwischen den Zeilen gehe, kann ich Gott treffen. Vor kurzem habe ich das erlebt. Beim Lesen des Markusevangeliums: Markus erzählt von einem jungen Mann, schwer krank, gelähmt. Seinen Freunden geht dieses Schicksal an die Nieren. So geht Glaube los. Wenn Männer mitleiden.

Dann kommt Jesus in ihre Kleinstadt. ‚Wir müssen unseren Freund hinschaffen, koste es was wolle‘ sagen sie sich. Aber alle Wege zu Jesus sind verstopft. Die Leute sind neugierig wie bei einer Meisterfeier. Die Freunde gehen dann zwar nicht mit dem Kopf durch die Wand. Aber durch die Decke des Hauses. Über die Außentreppe, von Flachdach zu Flachdach ihrer orientalischen Altstadt. Dann hacken sie das Dach über Jesus und legen im ihren Freund zu Füßen. Das ist Glaube, lobt Jesus. Nicht jammern oder von Besserung träumen, sondern alles Menschenmögliche tun, angetrieben von einer ungebärdigen Hoffnung, dass es besser oder heil werden kann. Von Gott redet Markus in der Geschichte nicht. In den Zeilen nicht, aber dazwischen ist ER.

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25233
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