Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wir machen immer ein Gesicht! Der Tag fängt an und wir machen eins. So der so. „Was machst Du denn für ein Gesicht?“ Sagt meine Frau, wenn ich beim Frühstück schon finster dreinschaue. Niemand kann aus dem haus gehen und sagen:
Heut mach ich alles, nur kein Gesicht. Das geht nicht.

Ehe wir was sagen, spricht Bände, was uns im Gesicht steht. Das kann man von Weitem schon lesen. Die meisten können das kaum verbergen, so sehr sie es auch versuchen.
Jetzt habe ich in der Zeitung gelesen, dass eine chinesische Firma mit dem beeindruckenden Namen Songcheng Performance Development Company, eine Firma also, die ausgerechnet Vergnügungsparks baut, ihren Angestellten erlaubt bei meetings und Besprechungen Masken zu tragen. Damit sie kein Gesicht mehr machen. Oder vielleicht auch ihr Gesicht nicht verlieren, was im Grunde nicht nur für Chinesen ganz wichtig ist.

Es heißt, Betriebspsychologen hätten herausgefunden, dass die Masken dem Stressabbau dienen. Sie verbergen die Emotionen und sollen es so den Angestellten erleichtern, vor größeren Gruppen und vor allem vor Vorgesetzten offen zu sprechen. AZUBIs täten sich seither leichter, ihre Meinung zu vertreten, ohne Gesichtsverlust sozusagen. Seitdem seien die Arbeitsmoral und die Effektivität im Betrieb enorm gestiegen.

Ich frage mich nur, wie das auf Dauer geht, wenn man niemanden mehr zu Gesicht bekommt. Maskerade auf Dauer ist doch auch keine Lösung. Da schau ich lieber mal auch in ein böse dreinguckendes Gesicht und noch lieber in ein fröhlich strahlendes, Menschenskind. Ansehen genießen, das hat doch was.

Am Ende jeden Gottesdienstes werden die Leute mit dem Segen Gottes heimgeschickt und darin heißt es:
„Er lasse sein Angesicht leuchten über Dir
und sei Dir gnädig!
Nichts brauchen wir mehr. Mal sehen, was wir heute sichten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25167
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