SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ganz offensichtlich bin ich nicht zur Außenministerin oder Handelsvertreterin geeignet, in diesen Berufsgruppen müssen Menschen das durchhalten können: Beruflich ständig unterwegs sein. Mein Leben ist das nicht!

Im letzten Monat hatte ich so viele auswärtige Verpflichtungen, dass ich zwischendurch richtig atemlos geworden bin. Ich habe stundenlang in Zügen gesessen und auch zwei Mal im Flugzeug, ich habe in den Städten, zu denen ich unterwegs war, meistens nur das Hotel und den Tagungsraum kennengelernt. Ich habe mich zu wenig bewegt und zu viel gesessen. Manchmal bin ich morgens aufgewacht ohne zu wissen, wo ich denn gerade bin. Einmal ist mir das sogar zu Hause passiert. So interessant auch die Aufgaben waren, die ich übernommen hatte – dies passiert mir so schnell nicht mehr. Jeder einzelne Programmpunkt hätte mir für sich genommen viel Freude bereitet – in der Häufung war es einfach zu viel. 

Wie gesagt: Ganz offensichtlich bin ich nicht zur Außenministerin oder Handelsvertreterin geeignet. Ich brauche etwas mehr Konstanz in meinem Leben. Vielleicht ist es ein Geheimnis persönlicher Zufriedenheit, wenn Menschen in einem Tempo leben und arbeiten können, das zu ihnen passt. Was für ein Glück auch, dass ich meinen Terminkalender auch mitgestalten kann, das geht nicht jedem Menschen so.

Allerdings gibt es auch die umgekehrte Erfahrung. Auch das habe ich in diesem September gelernt. Auf einer meiner Reisen habe ich mich mit einem jungen Mann unterhalten, der an Boreout leidet, also an Langeweile im Beruf. Er sitzt jeden Tag in seinem repräsentativen Büro, muss Präsenz zeigen, ohne ihn wirklich herausfordernde Aufgaben zugeteilt zu bekommen. Er langweilt sich und wird gerade richtig krank darüber. Boreout kann genauso krank machen wie ein Burnout, eine Existenz im Schlummermodus ist also auch keine wirklich zufriedenstellende Lösung.

Über meinem Schreibtisch hängt seit Jahren eine Nachdichtung von Psalm 23 mit einer Weisheit, die ich persönlich im September nicht beherzigt habe. Dort heißt es: Du, Herr, gibst mir für meine Arbeit das Tempo an. Eigentlich gibt es ein gutes Sensorium dafür: Mein Körper zeigt mir buchstäblich, ob ich atemlos bin oder Luft genug habe. Mein Herz schlägt auch sehr viel ruhiger, seitdem ich nicht mehr durch Deutschland hetze. Für diesen Oktober wünsche ich mir und Ihnen, dass Sie das Tempo Gottes für Ihr Leben und Ihre Arbeit herausfinden. Und dass sie es dann auch leben können!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25117
weiterlesen...