SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ein schwieriger Feiertag ist das heute: Tag der deutschen Einheit – dritter Oktober 2017,
27 Jahre nach der Wiedervereinigung von zwei Deutschlands zu einem.
Na gut – ein Gedenktag. Geschichte. Erinnerungen…

Aber ob da wirklich was zum Feiern ist – eine Einheit,
wie besungen in der Nationalhymne?
Kann man doch wohl bezweifeln nach der Wahl zum deutschen Bundestag
vor gerade mal zehn Tagen.
Ein zerrissenes Land – gespalten immer noch zwischen Ost und West;
gespalten auch zwischen reich und arm – der Riss wird jedes Jahr tiefer;
gespalten zwischen „deutsch“ und „fremd“, gebildet und weniger gebildet,
in Arbeit oder schon lange ohne und in Hartz vier…

Das Wahlergebnis spiegelt diese Zerrissenheit irgendwie –
und ob und wie sich „die Politiker“ verständigen können:
mal gespannt, ob sie mehr schaffen als
nur gegen die sogenannte Alternative zusammenhalten!

Schon klar: Wir Kirchenleute sollten da schön vorsichtig sein.
Gerade Ende Oktober, in genau vier Wochen
geht ein Erinnerungs-Jahr zu Ende,
wieder mit einem Feiertag, das uns an die erste große Spaltung erinnert:
An Martin Luthers Reformation, die die eine Kirche
erst entzwei gebracht und dann ganz viele hat entstehen lassen –
am 31. Oktober vor fünfhundert Jahren hat das angefangen.
Also: haltet euch bedeckt, ihr Kirchen…

Oder vielleicht doch nicht.
Weil die Kirchenleute haben dieses Fünfhundertjahrejubiläum
ja doch erstaunlich gut genutzt – und zwar gemeinsam,
auf einem Weg zu mehr Einheit,
statt zur Profilierung auf Kosten der jeweils anderen Seite.
Beinahe umarmt haben sich der evangelische Rats-Vorsitzende
und der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz immer mal wieder –
auch öffentlich. Sah doch glaubwürdig aus.
Obwohl diese führenden Kirchenmänner natürlich wissen,
dass bei aller persönlichen Nähe zwischen ihnen beiden
noch weite Wege liegen zwischen ihren Kirchen.

Beim Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim
hatten sie dafür ein sehr starkes Bild – oder eigentlich sogar zwei Bilder:
Gefeiert und gebetet und gesungen wurde ökumenisch
in der mittelalterlichen Andreaskirche.
Da feiern schon seit kurz nach der Reformation
evangelische und katholische Gemeinde Gottesdienst unter einem Dach.
Und das zweite Bild stand mitten im Gang,
vor dem Altar der Kirche: Eine riesige,
mehr als Mann-hohe Panzersperre –
drei Stahlträger, in der Mitte über Kreuz zusammengeschweißt.
Man kennt das Bild noch von der damals innerdeutschen Grenze…  
Unüberwindliches Hindernis, auf den ersten und zweiten Blick.
Und dann kamen ein paar Menschen
und stellten dieses Gebilde aus drei Balken senkrecht auf:
Ein Kreuz stand da – mit vier Armen zeigte es in alle Himmelsrichtungen.
Das Kreuz – das Zeichen für die Rettung der Menschheit aus dem Tod:
Es liegt im Weg, wie eine Panzersperre, wie gesagt,
solange die Menschen es liegen lassen.
Erlösung bietet Gott den Menschen an – ergreifen müssen sie sie
und selbst mit daran arbeiten. Gemeinsam,
ohne Rücksicht darauf, dass die eine Kirche traditionell zersplittert zu sein hat... 

Das sehen die Christenmenschen aller Sorten
in den Initiativen und Gemeinden vor Ort und im Alltag oft genau so:
den Flüchtlingen helfen sie schon lange gemeinsam,
bei den sogenannten Tafeln sorgen sie ökumenisch für die Menschen,
die sonst nix zu essen hätten –
und geheiratet wird längst quer über die Konfessionsgrenzen hinweg,
wenn sie sich überhaupt noch kirchlich
und vor Gott und der Gemeinde trauen… 

Ja, Deutschland: so könnte Einheit gehen –
und die könntest du dann auch mit mehr Recht und Begeisterung feiern.
Da wäre ich gern dabei.
Im Grunde ist doch längst klar, dass die meisten Probleme angepackt gehören!

Denn auch dafür war die stählerne Sperre in Hildesheim ein gutes Bild,
die sie da als Kreuz aufgerichtet haben:
das konnten sie nur gemeinsam – egal, auf welchem Hintergrund.
Der dritte Oktober, finde ich, erinnert auch daran: Wir können das schaffen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25081
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